Linksversetzung und Rechtsversetzung

Frage

In den letzten Jahren habe ich gelegentlich eine Satzstellung gehört, die ein Journalist beim Deutschlandfunk […] offenbar zum Markenzeichen entwickelt hat. Ist das eine klassische Form oder ein Trend, das Satzsubjekte voranzustellen und direkt mit einem Personalpronomen wieder aufzugreifen?

Der Präsident, er hat das Land verlassen.
Die Katze, sie begrüßt alle, die ins Haus kommen.

[…]

Antwort

Guten Tag Herr L.,

diese Konstruktion wird in der Regel Linksversetzung genannt. Dabei steht ein Ausdruck links vor einem vollständigen Satz, in dem er durch ein Pronomen oder ein anderes Verweiswort wiederaufgenommen wird. Wo möglich, stehen der Ausdruck und das Verweiswort im gleichen Fall.

Der Präsident, er hat das Land verlassen.

Die Linksversetzung kommt nicht nur beim Subjekt, sondern auch bei anderen Satzteilen vor. Hier ein paar Beispiele:

Diesen Vorschlag, den kannst du am besten gleich wieder vergessen.
Meiner Schwester, ihr musst du danken, nicht mir.
Mit diesem Lügner, mit dem rede ich nicht mehr.
Über eine solche Sache, darüber kann man besser schweigen.
Am ersten Adventssonntag, dann zünden wir die erste Kerze an.
Nach Sizilien, dahin zog es sie schon lange.

Die Linksversetzung kommt vor allem in der gesprochenen Sprache vor. Sie dient meist dazu, etwas besonders hervorzuheben. Bei längeren Ausdrücken kann die Linksversetzung auch der Verdeutlichung der Satzstruktur dienen:

Der Hund, der immer wieder hier herumschnüffelt und den ich schon viele Male weggejagt habe, er läuft schon wieder im Hof herum.


Es ist mir leider nicht bekannt, ob die Linksversetzung speziell im Journalismus oder ganz allgemein häufiger vorkommt als früher. Es könnte sich auch einfach um den persönlichen Sprachgebrauch des Journalisten handeln.

Neben der Linksversetzung gibt es übrigens auch die Rechtsversetzung. Dabei steht ein Ausdruck – wie könnte es anders sein – ganz rechts, also hinter einem vollständigen Satz:

Er hat das Land verlassen, der Präsident.
Den kannst du am besten gleich vergessen, diesen Vorschlag.
Mit dem rede ich nicht mehr, mit diesem Lügner.
Darüber kann man besser schweigen, über eine solche Sache.
Die erste Kerze zünden wir dann an, am ersten Adventssonntag.
Dahin zog es sie schon lange, nach Sizilien.

Auch die Rechtsversetzung gehört vor allem (aber nicht nur)  zur gesprochenen Sprache.

Zur Linksversetzung und zur Rechtsversetzung, dazu gäbe es noch einiges zu sagen, aber für diesmal schließe ich es ab, dieses Thema.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Jede Menge trockene/trockener Äste

Frage

Ich hätte wieder einmal eine Frage, Sie können mir sicherlich helfen. Was ist richtig?

Am Waldrand fand er jede Menge trockene/trockener Äste.

Antwort

Guten Tag Frau R.

nach einer ungenauem Mengenangabe wie Anzahl, Fülle, Reihe, Menge usw. kann das Gemessene/Gezählte im Genitiv oder im gleichen Fall wie die Mengenangabe stehen. Dies allerdings nur dann, dann wenn es im Plural steht.

Mit Genitiv (partitiver Genitiv, häufig):

Wir haben Fragen zu einer Anzahl kleinerer Probleme.
Sie stellte eine Reihe neuer Produkte vor.
Eine Gruppe Demonstrierender besetzte das Gebäude.
Am Waldrand fand er eine große Menge trockener Äste.

Mit Kasusangleichnung (partitive Apposition; seltener):

Wir haben Fragen zu einer Anzahl kleineren Problemen.
Sie stellte eine Reihe neue Produkte vor.
Eine Gruppe Demonstrierende besetzte das Gebäude.
Am Waldrand fand er eine große Menge trockene Äste.

Es gibt sogar noch eine dritte Variante (häufig):

Wir haben Fragen zu einer Anzahl von kleineren Problemen.
Sie stellte eine Reihe von neuen Produkten vor.
Eine Gruppe von Demonstrierenden besetzte das Gebäude.
Am Waldrand fand er eine große Menge von trockenen Ästen.

Siehe auch die Angaben in der LEO-Grammatik.

In Ihrem Satz steht aber keine „gewöhnliche“ Mengenangabe, sondern die umgangssprachliche Wendung jede Menge = sehr viel. Das oben Gesagte gilt im Prinzip auch hier, aber am üblichsten ist doch die Kasusangleichung, das heißt, man formuliert gleich, wie wenn sehr viel stünde:

Am Waldrand fand er jede Menge trockene Äste.
(vgl. Am Waldrand fand er sehr viel[e] trockene Äste.)

Das ist eher umgangssprachlich. Etwas formeller gibt es, wie oben gezeigt, diese Varianten:

Am Waldrand fand er eine große Menge trockener Äste.
Am Waldrand fand er eine große Menge trockene Äste.
Am Waldrand fand er eine große Menge von trockenen Ästen.

Es sind also jede Menge verschiedene Formulierungen möglich.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Sieh mal, der Baum! / Sieh mal den Baum!

Frage

Was ist richtig: „Sieh mal, der Baum!“ oder „Sieh mal, den Baum!“?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

beides ist richtig. Einen Unterschied gibt es aber der Kommasetzung (und der Aussprache).

Sieh mal, der Baum!

Hier geht es um den Ausruf Sieh mal!, auf den separat im Nominativ folgt, was man beachten soll. Das Komma entspricht einer kurzen Pause in der gesprochenen Sprache. Man könnte auch einen Doppelpunkt oder ein zweites Ausrufezeichen verwenden:

Sieh mal: der Baum!
Sieh mal! Der Baum!

Beim zweiten Satz ist Baum direkt von sehen abhängig (Sieh mal wen oder was?):

Sieh mal den Baum!

Mit dieser eher umgangssprachlichen Äußerung ist gemeint:

Betrachte einmal den Baum!
Sieh dir einmal den Baum an!

Wenn Sie die Äußerung laut aussprechen, hören Sie wahrscheinlich, ob Sie eher Sieh mal, der Baum! (mit Pause) oder Sieh mal den Baum! (ohne Pause) meinen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Mond ist nicht aufgegangen, sondern unter – oder unter-?

Frage

In einem Beitrag schreiben Sie hier «klein» ohne Ergänzungsstrich:

Nicht-Substantive werden in Zusammensetzungen mit Bindestrich nur am Wortanfang großgeschrieben, sonst klein.

Früher hätte ich in so einem Fall einen Ergänzungsstrich verwendet, da es vollständig «kleingeschrieben» heißt. Andererseits deutet die Reihenfolge auf eine gewisse Selbständigkeit des Verbzusatzes hin, wir würden schließlich nicht sagen: «Das ist nicht zweiwertig, sondern drei-.» […] Was würden Sie sagen: Mit Ergänzungsstrich oder nicht?

Antwort

Guten Tag Herr P.,

Ihre Frage weist mich auf eine stilistisch nicht allzu schöne Formulierung hin. Da sie aber so im Artikel steht, sollte sie doch richtig geschrieben werden. Doch was ist richtig?

Wenn man den Satz einfach zu sonst kleingeschrieben erweitert, müsste tatsächlich ein Ergänzungsstrich stehen:

Nicht-Substantive werden nur dann großgeschrieben, sonst klein-.

Das sieht aber sehr gewöhnungsbedürftig aus. Ergänzungsstriche am Satzende sind zumindest unüblich.

Lässt man den Ergänzungsstrich weg, muss man den Satz ungefähr so ergänzen: sonst [schreibt man sie] klein:

Nicht-Substantive werden nur dann großgeschrieben, sonst klein.

Man kann auch sagen, dass diese Konstruktion (nur?) dann möglich ist, wenn der abtrennbare eines trennbaren Verbs noch eine relativ eigenständige Bedeutung hat und allein im Vorfeld stehen kann (vgl. hier):

Klein schreibt man Nicht-Substantive, wenn …

Diese Eigenständigkeit kann man dem abtrennbaren Teil auch in der Konstruktion zugestehen, um die es hier geht. Deshalb würde ich eher für die Schreibung ohne Ergänzungsstrich plädieren.

Am besten formuliert man ohnehin anders. Zum Beispiel:

Nicht-Substantive werden nur dann groß- und sonst kleingeschrieben.
Nicht-Substantive werden nur dann großgeschrieben, sonst kleingeschrieben.
Nicht-Substantive werden nur dann großgeschrieben. Sonst schreibt man sie klein.

Ebenso schreibt man besser nicht:

Der Mond ist nicht aufgegangen, sondern unter(-).
Sie hat den Fernseher nicht eingeschaltet, sonder aus(-).

sondern:

Der Mond ist nicht auf-, sondern untergegangen.
Sie hat den Fernseher nicht ein-, sondern ausgeschaltet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ist man aufs Tiefste oder aufs tiefste getroffen?

Frage

Schreibt man „aufs Tiefste (tiefste) getroffen“ groß oder klein?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

hier ist beides richtig, und zwar ohne jeglichen Bedeutungsunterschied:

aufs Tiefste getroffen
aufs tiefste getroffen

In festen Wendungen mit aufs oder auf das und einem Superlativ KANN das Adjektiv groß- oder kleingeschrieben werden, wenn man mit wie? fragen kann (siehe §58(E1) der Rechtschreibregelung). Folgendes ist also auch möglich:

auf das Tiefste getroffen
auf das tiefste getroffen

Hier noch ein paar Beispiele:

Sie haben sich aufs / auf das Köstlichste amüsiert.
Sie haben sich aufs / auf das köstlichste amüsiert.

Alles ist aufs / auf das Beste geregelt. (wie?)
Alles ist aufs / auf das beste geregelt. (wie?)

Wir heißen Sie aufs / auf das Herzlichste willkommen.
Wir heißen Sie aufs / auf das herzlichste willkommen.

Und damit Sie sich nicht aufs Höchste/höchste wundern, warum beides möglich ist, sei noch dies gesagt:

Die Großschreibung kann man damit erklären, dass das gesteigerte Adjektiv durch den Artikel das, mit dem es steht, substantiviert ist und somit großgeschrieben wird. Vgl.:

Wir hoffen aufs / auf das Beste. (worauf?)

Die Kleinschreibung lässt sich dadurch rechtfertigen, dass man diese Form wie den Superlativ mit am als eine Steigerungsform (einen absoluten Superlativ) interpretieren kann:

gut – besser – am besten / aufs beste

Beide Schreibweisen sind gut vertretbar – offenbar so gut, dass die Rechtschreibregelung die Wahl uns Schreibenden überlässt. Wählen Sie einfach, was Ihnen besser gefällt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eine zunehmend wichtige/wichtigere Rolle?

Frage

Kürzlich las ich in einer wissenschaftlichen Publikation die Formulierung „eine zunehmend wichtige Rolle“. Da mir nur der Ausdruck „eine zunehmend wichtigere Rolle“ geläufig ist, stutzte ich. Nach kurzem Nachdenken befand ich aber die gelesene Variante für die bessere, da mir „zunehmend“ + Komparativ tendenziell pleonastisch erscheint. Wie sehen Sie das? Mögliche Beispiele wären:

Sie kamen in zunehmend größere Schwierigkeiten.
Sie kamen in zunehmend große Schwierigkeiten.

Man denke auch an einen Fall wie diesen, in dem man von der Verwendung von „zunehmend“, wie mir scheint, überhaupt Abstand nehmen sollte.

Sie wird zunehmend älter.
Sie wird zunehmend alt.
Sie wird älter.

Antwort

Guten Tag Herr K.,

was „richtig“ ist, hängt davon ab, wie viel und welche eigenständige Bedeutung man zunehmend zugesteht. Wörtlich genommen bedeutet es so etwas wie immer mehr. Dann passt in Ihren Beispielen die Grundstufe (Positiv) besser als die Höherstufe (Komparativ)

eine zunehmend wichtige Rolle
zunehmend große Schwierigkeiten
Sie wird zunehmend alt

Etwas weiter weg von der wörtlichen Bedeutung steht zunehmend, wenn es gleich wie immer (also ohne mehr) vor einem Komparativ verwendet wird. Dieses immer gibt vor einem Komparativ eine stetige Steigerung an:

ein zunehmend wichtigere Rolle
zunehmend größerer Schwierigkeiten
Sie wird zunehmend älter.

Ich halte diese Verwendung von zunehmend für (stilistisch) weniger gut, sie kommt aber auch häufig vor und ist entsprechend nicht als falsch anzusehen. Und beim letzten Beispiel haben Sie recht: Manchmal sollte man sich überlegen, zunehmend ganz einfach wegzulassen oder durch immer zu ersetzen.

NB: Sprache ist ist nicht Logik. Strikt wörtlich genommen ist eine zunehmend wichtigere Rolle entweder pleonastisch (es wird zweimal dasselbe ausgedrückt) oder es drückt eine immer schneller verlaufende (exponentielle) Steigerung aus. Im „normalen“ Sprachgebrauch wird aber zunehmend nicht nur mit der Bedeutung immer mehr vor einem Positiv, sondern auch wie einfaches immer vor einem Komparativ verwendet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp.

Mit oder ohne Komma: „Journalisten[,] aufgepasst!“?

Frage

Ich frage mich, ob hier ein Komma hinmuss:

Journalisten aufgepasst!

Eine Untersuchung bei Google zeigt, dass sich viel mehr Treffer für die Variante ohne Komma finden lassen. Ich war vor der Google-Suche fest davon überzeugt, dass nur die Variante mit Komma richtig ist.

Was ist nun richtig? Und um welche Wortart handelt es sich bei „aufgepasst“? […]

Antwort

Guten Tag Herr B.,

nach § 72 der Rechtschreibregelung werden u. A. durch Komma abgetrennt:

Ausdrücke als Zusätze mit besonderer kommunikativer Funktion (z. B. Anreden, Ausrufe)

Kinder, hört doch mal zu. Hört doch mal zu, Kinder. Hört, Kinder, doch mal zu. Du, stell dir vor, was mir passiert ist! Klaus, kommst du mit ins Kino? Heute wünsche ich dir, liebe Mama, alles Gute zum Geburtstag.

Das gilt nach meiner Interpretation auch für Ihr Beispiel:

Journalisten, aufgepasst!
= Journalisten, passt auf!

Die Form aufgepasst! ist ein Satzäquivalent, das für Passt auf! steht. Die Anrede Journalisten ist nicht von aufpassen abhängig, sondern eine direkte Anrede, die außerhalb der Aufforderung steht.

Die Wortform aufgepasst ist ein Partizip II (Partizp Perfekt). Bei einigen wenigen trennbaren Verben wird auch das Partizip II als Aufforderung verwendet (vgl. hier):

Weggetreten!
Stillgestanden!
Hereinspaziert!
Aufgepasst!

Wenn nun angegeben wird, an wen die Aufforderung oder das Kommando sich richtet, ist dies eine Anrede, die durch ein Komma abgetrennt werden sollte:

Abteilung, weggetreten!
Kompanie, stillgestanden!
Meine Damen und Herren, hereinspaziert!
Hereinspaziert, meine Damen und Herren!
Journalisten, aufgepasst!
Aufgepasst, liebe Kinder!

In der freien Sprachwildbahn wird das Komma bei dieser Art von Aufforderung allerdings häufig weggelassen. Es sollte aber aus den oben genannten Gründen gesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Plural von Stereotyp: die Stereotype oder die Stereotypen?

Frage

Könnten Sie mir bitte bei folgenden Beispielen weiterhelfen? Es geht um die Deklination des Nomens „Stereotyp“. Folgende Formulierungen habe ich im Internet gefunden und sind der Anlass meiner Nachricht:

Ich habe einen Artikel zum Thema „Stereotypen“
Diese Stereotypen dienen dazu, …

Der Begriff steht hier doch im Nominativ, oder?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

der eigentlich korrekte Plural von das Stereotyp (vereinfachendes, verallgemeinerndes Vorurteil; klischeehaftes Bild) ist nach den Angaben aller Wörterbücher die Stereotype:

das Stereotyp – die Stereotype

Wahrscheinlich unter dem Einfluss von Typ – Typen kommt aber der Plural die Stereotypen auch häufiger vor. Beispiele sind die Nominative, die Sie in Ihrer Frage zitieren. Ich bin zufällig auch über diese Stellen in einem Dudenwerk* gestolpert:

Obwohl grammatisch nichts gegen diesen Gebrauch einzuwenden ist, sind Stereotypen verzichtbar. Sie sollten nach Möglichkeit vermieden werden

Ein wichtiger Bereich, mit dem sich Political Correctness beschäftigt, ist die Verwendung nationaler Stereotypen in sprichwortähnlichen Zusammenhängen

Eigentlich richtig ist hier überall der Plural Stereotype:

Ich habe einen Artikel zum Thema „Stereotype“ gelesen.
Diese Stereotype dienen dazu, …
… sind Stereotype verzichtbar.
… die Verwendung nationaler Stereotype

Ich habe auch kurz im Korpus des IDS in Mannheim gesucht, und zwar mit den Wörtern Vorurteile und Stereotype, die im Plural die gleichen Endungen haben sollten:

Vorurteile und Stereotype (111 Treffer)
Stereotype und Vorurteile (128 Treffer)

Die Suche mit dem Plural Stereotypen zeigt:

Vorurteile und Stereotypen (82 Treffer)
Stereotypen und Vorurteile (59 Treffer)

Allzu viel sollte man nicht in diese Zahlen hineinlesen. Sie zeigen aber doch, dass der eigentlich korrekte Plural Stereotype zwar häufiger vorkommt, dass der „falsche“ Plural aber auch recht oft verwendet wird. Vielleicht wäre es an der Zeit, bei Stereotyp auch „offiziell“ einen zweiten Plural zu akzeptieren. Wenn Sie es aber ganz richtig machen wollen, verwenden Sie (vorerst) nur den Plural Stereotype (außer im Dativ: den Stereotypen).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

* Duden, Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle, 2021; Stichwort Völker- und Stammesnamen bzw. Political Correctness. Siehe auch hier.

Wortstellung: Gehört das Auto dir oder gehört dir das Auto?

Frage

Wir haben im Grundkurs gelernt, dass in Fragesätzen das Verb vor dem Subjekt steht, nicht aber, dass man auch ein Dativobjekt dazwischenschieben kann. „Gehört dir das Auto?“ scheint mir die üblichere Variante im Vergleich zu „Gehört das Auto dir?“ zu sein. Gibt es eine offizielle grammatikalische Regel, die die Wortfolge Verb-Dativobjekt-Subjekt im Fragesatz als „erlaubt“ festlegt?

Antwort

Guten Tag Frau T.,

diese Frage stellt sich nicht nur bei Fragesätzen, sondern allgemein für das sogenannte Mittelfeld. Kann das Dativobjekt vor dem Subjekt stehen?

Eine offizielle Regel gibt es nicht. Die Wortstellung im Deutschen ist sehr komplex. Außer bei der Stellung der gebeugten Verbform gibt es (fast) keine festen Regeln, nur mehr oder weniger starke Tendenzen. Häufig spielen dabei mehrere Tendenzen eine Rolle, die einander zum Teil widersprechen.

Bei Ihrer Frage spielen die folgenden Wortstellungstendenzen eine Rolle:

a) Subjekt steht vor Objekt

Gehört das Auto dir?
… weil das Kind ihnen nicht gehorcht.
Danach las der Lehrer uns ein Märchen vor.

b) Pronomen steht vor Nomen

„Gehört dir das Auto?
…weil ihnen das Kind nicht gehorcht.
Danach las uns der Lehrer ein Märchen vor.

Keine dieser beiden Tendenzen ist so viel stärker, dass sie die andere verdrängen könnte. Beide Wortstellung sind deshalb möglich.

Ich hoffe, dass diese Erklärung Ihnen hilft oder dass Ihnen diese Erklärung hilft.

Mehr dazu finden Sie in der LEO-Grammatik im Kapitel zur Wortstellung unter Subjekt und Pronomen vor Nomen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Besondere Steigerungsformen: tiefer gehende oder tiefgehendere Gedanken

Frage

Bei einem Satz wie:

Du solltest nicht davon ausgehen, dass er sich über jedes Detail tiefergehende Gedanken gemacht hat.

Müsste man hier „tiefer gehende“ schreiben? Nach meinem Sprachgefühl ist es so etwas wie eine feste Wendung, die nicht getrennt werden sollte. Aber vielleicht liege ich mit diesem Gefühl ja falsch.

Antwort

Guten Tag Frau G.,

hier ist die Getrenntschreibung zu empfehlen:

Du solltest nicht davon ausgehen, dass er sich über jedes Detail tiefer gehende Gedanken gemacht hat.

Bei der Erklärung muss ich ein bisschen ausholen: Es geht hier um die Verbindung von einem Adjektiv und einem Partizip. Dann kann man getrennt oder zusammenschreiben, wenn die zugrundeliegende Verbverbindung getrennt geschrieben wird. Hier haben wir es mit einer Verbindung zu tun, die in der Regel getrennt geschrieben wird:

Gedanken, die tief gehen

Nach dem oben Gesagten kann man also sowohl getrennt als auch zusammenschreiben:

tief gehende Gedanken
tiefgehende Gedanken

Ebenso zum Beispiel:

ein schwer wiegender Vorfall
ein schwerwiegender Vorfall

eine Zeit sparende Lösung
eine zeitsparende Lösung

In Ihrer Frage geht es aber eigentlich um die gesteigerte Form. Wie geht man dann vor?

Wenn der erste Teil der Verbindung gesteigert bzw. erweitert wird, schreibt man getrennt:

tiefer gehende Gedanken
ein schwerer wiegender Vorfall
eine mehr Zeit sparende Lösung

Wenn die Verbindung als Ganzes gesteigert wird, schreibt man zusammen:

tiefgehendere Gedanken
ein schwerwiegenderer Vorfall
eine zeitsparendere Lösung

Steigerungsformen der zweiten Art werden manchmal als falsch bezeichnet, sie kommen aber bei einigen Verbindungen auch standardsprachlich häufig vor und sind dann bei Zusammenschreibung gut vertretbar.

Siehe hierzu auch die Rechtschreibregelung § 36 (2.1) und (E3).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp