Ungewohnt unveränderlich: Campus, Status, Kasus

Frage

Bei einer etwas umfangreicheren Übersetzungsarbeit bin ich auf Fragen gestoßen, die ich nicht mit den üblichen Rechtschreib-Nachschlagwerken beantworten konnte. So verlangt der englische Originaltext den Plural von Campus, den es laut Duden oder auch laut Canoo nicht gibt – bzw. der mit dem Singular identisch ist:

… die studentischen Übernahmen an der Columbia University und hunderten von Campus waren Teil einer breiten Bewegung …

So sehr ich mich bemühe, klingt das Wort Campus an dieser Stelle äußerst komisch. Im Internet wird Campusse oder auch Campi als Plural vorgeschlagen. Natürlich kann man einfach auf das deutsche Wort Universitätsgelände ausweichen, das sich ohne Schwierigkeiten deklinieren lässt.

Ähnlich ist es mit dem Wort Status, für das es im Deutschen auch keinen Plural gibt.

Antwort

Sehr geehrter Herr D.,

auch wenn sie ungewohnt aussieht, ist Ihre Formulierung richtig:

… die studentischen Übernahmen an der Columbia University und hunderten von Campus waren Teil einer breiten Bewegung …

Ich habe es noch einmal für Sie kontrolliert: Die mir zur Verfügung stehenden Wörterbücher geben für Campus alle wie CanooNet die Pluralform die Campus an. (Nur Wahrig weicht davon ab, indem angegeben wird, dass Campus keinen Plural habe. Letzteres hilft Ihnen aber nicht viel weiter, wenn Sie eine Mehrzahlform von Campus benötigen.) Wenn Sie also einen standardsprachlich korrekten Text schreiben möchten, verwenden Sie, wie gesagt, einfach die Campus. Sie können tatsächlich auch auf eine andere Formulierung ausweichen und hier zum Beispiel „und auf hunderten von Universitätsgeländen“ oder einfach „und an hunderten von anderen Universitäten“ schreiben.

Campus ist nicht das einzige Wort, das im Plural unveränderlich ist. Im Prinzip gehören die meisten männlichen und sächlichen Wörter, die auf unbetontes -er oder -el enden, auch dazu: die Reiter, die Esel, die Ruder, die Übel. Diese Wörter bilden allerdings eine große Gruppe, deren Pluralformen zu häufig vorkommen, als dass uns ihre Unveränderlichkeit in irgendeiner Weise erstaunen würde. Außerdem sind sie nicht völlig unveränderlich, denn im Genitiv Singular haben sie ein s und im Dativ Plural ein n. Wörter mit einer anderen Form haben meistens Pluralformen, die durch eine Endung (oder einen Umlaut) markiert sind. Deshalb sieht die Campus so ungewohnt aus, dass man lieber eine markierte Pluralform einsetzen würde. Hier bietet sich in Anlehnung an zum Beispiel Kaktusse, Globusse und Atlasse am ehesten Campusse an. Diese Form ist aber (noch?) nicht akzeptiert, so dass Sie sich dem Risiko aussetzen, dass man Ihnen einen Fehler vorwirft. Die Form Campi würde ich außerhalb eines lateinischen Kontextes (z.B. Campi Elysii) nicht empfehlen.

Beim Wort Status kann man ebenfalls nicht sagen, dass es keinen Plural gebe. Die Pluralformen sind (in der Schrift) einfach unveränderlich: der Status/die Status. Hier erklärt sich die ungewohnte Pluralform aus der lateinischen Beugung. Andere Beispiele sind der Kasus/die Kasus und der Passus/die Passus. Auch hier gilt, dass die Pluralformen vielleicht ungewohnt aussehen, aber in dieser Weise korrekt sind:

Im Deutschen gibt es vier Kasus.
Einige Passus daraus möchte ich zusammenfassen: …
die verschiedenen gesellschaftlichen Status

Vor allem in nicht fachsprachlichen Texten wird aber auch hier im Plural oft auf andere Wörter ausgewichen:

Im Deutschen gibt es vier Fälle.
Einige Passagen daraus möchte ich zusammenfassen: …
die verschiedenen gesellschaftlichen Stellungen

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

3 Gedanken zu „Ungewohnt unveränderlich: Campus, Status, Kasus“

  1. Status ist als Pluralform korrekt, wird aber mit langem “u” ausgesprochen das ihn immerhin mündlich von seinem Singular-Bruder unterscheidet.

  2. Das stimmt nicht, Icke. Im Gegensatz zu lat. status und casus gehört campus nicht zur u-Deklination, sondern zur o-Deklination. Der Nominativ Plural ist campi. Siehe zum Beispiel hier, hier und hier. Der lateinische Plural erklärt also die deutsche Pluralform Campus nicht.

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