Autos als Lebensinhalt und Deutschland als Weltmeisterin

Es geht hier nicht um die Frage, ob die Deutschen ihr Auto mehr lieben als der Rest der Welt.

Frage

Wie erklärt der Sprachwissenschafler das Besondere folgender Opel-Werbung: „Wir leben Autos“ (FAS 13.9.09)? Wodurch entsteht grammatikalisch die Wirkung? Und wie ist es bei der folgenden Mercedes-Werbung: „Deutschland ist Weltmeisterin“ (FAZ 12.9.09)?

Antwort

Sehr geehrter Herr L.,

beide Werbesprüche haben das wichtigste Ziel erreicht: Sie fallen auf. Das beweisen nur schon Ihre Frage und meine Antwort. Doch wie fallen Sie auf? Am besten fällt man auf, indem man abweicht. In beiden Werbeslogans steht eine Formulierung, die vom normalen Sprachgebrauch abweicht.

Wir leben Autos

In der Opelwerbung fällt die Verwendung des Wortes Autos als Akkusativobjekt bei leben auf. Normalerweise sagt man einfach leben, gut leben, an einem Ort leben, für etwas leben, von etwas leben, mit etwas leben usw. usw. Man sagt praktisch nie etwas leben. Dies ist nur üblich, wenn es um Begriffe geht, die man durchleben, vorleben oder im Leben praktizieren kann. Zum Beispiel: ein einfaches Leben leben, Demokratie leben, seinen Glauben leben, seine eigene Geschichte leben u. Ä. Es geht also um abstrakte Begriffe. Autos hingegen sind konkrete Dinge, die man im Prinzip nicht leben kann. Durch den Werbeslogan wird etwas Konkretes wie Autos zu etwas Abstraktem, zu so etwas wie einer Weltanschauung, einem Lebensinhalt. Das fällt auf.

Deutschland ist Weltmeisterin

Der Mercedes-Slogan knüpft an den Weltmeistertitel der deutschen Fußballfrauen an. Mercedes-Benz war ja der Generalsponsor der deutschen Frauen-Fußballnationalelf. Hier fällt auf, dass die weibliche Form Weltmeisterin sich auf Deutschland bezieht. Man kann sich zwar mit weiblichen Personenbezeichnungen auf eine Sache, Institution usw. beziehen, aber das ist nur dann möglich, wenn es sich um ein weibliches Wort handelt:

Antragstellerin ist die Universität
Die Firma AX ist Lieferantin des Produktes.

Bei männlichen und sächlichen Wörtern ist dies im Prinzip nicht möglich. Trotzdem bezieht sich im Mercedes-Slogan die weibliche Personenbezeichnung Weltmeisterin auf das sächliche Wort Deutschland. Obwohl es Frauen waren, die den Weltmeister(innen)titel errungen haben, ist das grammatisch gesehen eigentlich falsch und fällt deshalb entsprechend auf.

Sehen Sie hierzu auch diesen und diesen älteren Blogeintrag.

Werbesprüche können also mit Hilfe „grammatischer Vergehen“ auffallen und dadurch wirkungsvoll sein. Bei Opel und Mercedes hat das jedenfalls insofern gut funktioniert, dass die Markennamen einige Male in diesem Blog genannt werden …

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp