Frage
Regelmäßig stolpere ich über die folgende Formulierung, die täglich in Radio und Fernsehen zu hören ist: „Die Straße ist in beiden Richtungen gesperrt.“ […] Wenn ich mich frage, welcher Fall hier stehen muss, dann scheint es mir, es müsste doch eigentlich der Akkusativ sein und nicht der Dativ. Richtungsangaben erfordern doch – wenn ich mich richtig erinnere – den Akkusativ.
Antwort
Sehr geehrter Herr F.,
es ist richtig, dass nach in der Akkusativ steht, wenn es um eine Bewegung geht, und der Dativ, wenn es um einen Zustand geht (Grammatik):
Wir gehen ins Haus.
Ich lege mich in die Sonne.
Bewegung, dynamisch => AkkusativWir sind im Haus.
Ich liege in der Sonne.
Zustand, statisch => Dativ
Das Wort Richtung wird sowohl mit dem Akkusativ als auch mit dem Dativ verwendet. Das hat damit zu tun, dass das Wort sowohl eine statische (Dativ) als auch eine dynamische (Akkusativ) Komponente hat. Die Richtung an und für sich ist nämlich nicht dynamisch. Sie ist wie ein Wegweiser mit einem Pfeil, der irgendwohin weist, der aber selbst statisch ist. Etwas, das sich in diese/dieser Richtung bewegt, ist dynamisch, bezüglich der Richtung ist es aber gewissermaßen statisch, denn die Richtung bleibt ja gleich.
Das Wort Richtung kann also sowohl dynamisch als auch statisch interpretiert werden. Mit Bewegungsverben, die ebenfalls dynamisch sind, wird häufiger der Akkusativ verwendet:
in die gleiche Richtung gehen
seltener: in der gleichen Richtung gehen
Bei statischen Ausdrücken wie gesperrt sein hingegen wird eher der Dativ verwendet:
in beiden Richtungen gesperrt sein
selten: in beide Richtungen gesperrt sein
Wie Sie sehen, können in der Sprache sogar so eindeutig unterscheidbare Begriffe wie statisch und dynamisch, Zustand und Bewegung, in gewissen Fällen Anlass zu Zweifeln geben und zu unterschiedlichen Interpretationen führen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp