Frage
Mich interessieren die Begriffe »Fluggast« und »Fahrgast«, die zum Beispiel von der Lufthansa oder der Deutschen Bahn gebraucht werden. Wann sind diese (für mich unschönen) Begriffe entstanden? Und warum? Kann man nicht das aus dem Französischen entlehnte Wort »Passagier« benutzen?
Antwort
Sehr geehrter Herr O.,
nach den mir zur Verfügung stehenden Quellen kam das Wort Fahrgast schon im 19. Jahrhundert auf. Dass es keine Neuerfindung moderner Werbe- und Marketingstrategen ist, zeigt zum Beispiel auch der Titel von Franz Kafkas 1908 erstmals erschienen Erzählung »Der Fahrgast«. Die Entstehung dieses Wortes war wahrscheinlich mit dem rasanten Aufschwung des Eisenbahnverkehrs verbunden. Es ist die deutsche Entsprechung des Fremdwortes Passagier, das übrigens ursprünglich italienisch war, im 16. Jh. von dort ins Deutsche übernommen und später an die ebenfalls aus dem Italienischen stammende französische Form passager angepasst wurde.
Zur Geschichte des Wortes Fluggast konnte ich keine Angaben finden. Ich nehme aber an, dass es mit dem Aufkommen der Passagierluftfahrt in Analogie zu Fahrgast entstanden ist.
Man kann anstelle von Fahrgast und Fluggast ohne weiteres auch Passagier benutzen. Das ist auch üblich. Die Zusammensetzungen mit Gast haben aber zwei kleine Vorteile: Sie ermöglichen – falls das einmal nötig sein sollte – eine genauere Unterscheidung der Passagiere nach Transportart (Schiffspassagiere, Fahrgäste, Fluggäste). Sie erlauben auch eine freundlicher oder höflicher klingende Anrede der Kunden. Ein Passagier ist jemand, den man transportiert. Ein Gast ist jemand, den man willkommen heißt und gern transportiert. Und hier kommen dann doch noch die Werbeleute ins Spiel. Dieses »Freundlichkeitspotential« ist auch ihnen aufgefallen, wodurch sich die Verwendungshäufigkeit der Wörter Fahrgast und Fluggast in Informationstexten und Durchsagen des öffentlichen Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs bestimmt um einiges erhöht hat.
Trotz dieses »Freundlichkeitspotentials« der Zusammensetzungen mit Gast werde ich nicht so weit gehen, Sie von nun an als Lesegast oder Bloggast anzureden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp