Als ich nach Hause kam, lag in der kleinen öffentlichen Grünanlage vor unserem Haus schon wieder so ein brauner, fliegenumschwärmter Haufen; ganz am Rand, auf etwas mehr als zweieinhalb Meter Abstand von der Haustür. Seit ungefähr zwei, drei Wochen hat sich ein Hundebesitzer diese Stelle ausgesucht, um seinen Hund ab und zu – pardonnez le mot – scheißen zu lassen. Letzteres wäre gar nicht so schlimm. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Hunde, auch wenn die Wohnung, in der ich wohne, bewusst haustierfrei war, ist und, soweit es an mir liegt, auch bleibt. Störend ist also nicht, dass der Hund sein Geschäft dort verrichtet. Das arme Geschöpf muss ja irgendwo mal müssen können. Störend ist, dass es immer noch solch asoziale Hundebesitzer gibt, die meinen, den Hundedreck nicht aufräumen zu müssen. In der Weite der unberührten Natur, so wie man sie in diesem Teil Europas praktisch nirgends mehr antrifft, ist das kein Problem. In der relativen Enge eines Wohnviertels mit zahlreichen Hundebesitzern und vielen spielenden Kindern geht es einfach nicht. Das haben die meisten einigermaßen normal denkenden Menschen mittlerweile begriffen. Für die Unverbesserlichen hat man die Hundekotaufnahmepflicht erfunden.
Es ist nicht besonders originell, über das Liegenlassen von Hundekot zu schreiben, aber ich konnte mich dabei so richtig schön abreagieren. Es geht eigentlich um das schöne Wort Hundekotaufnahmepflicht, das mir beim Anblick des besagten Hundehaufens in den Sinn gekommen ist. Obwohl diese Pflicht auch in Deutschland vielerorts besteht, kommt das Wort im Gegensatz zum oft damit kombinierten Leinenzwang fast nur in Österreich und der Schweiz vor. Weshalb dieses eindeutig amts- und beamtendeutsche Wort „ausgerechnet“ in Deutschland nicht verwendet wird, ist mir schon seit einiger Zeit ein Rätsel.
Mir ist etwas anderes an Hundekotaufnahmepflicht aufgefallen: Es handelt sich hier um eine für das Deutsche typische Wortschöpfung, bei der eine Aussage, die viele andere Sprachen mit mindestens einem Nebensatz oder zwei Präpositionalgruppen ausdrücken, in ein einziges Wort gepfropft wird. Die Struktur solcher vielteiligen Zusammensetzungen lässt sich in der Regel gut analysieren und schön wissenschaftlich mit Hilfe von Strukturbäumchen u. Ä. darstellen. Und genau darüber bin ich gestolpert. Muss man die Hundekotaufnahmepflicht nun als Aufnahmepflicht für Hundekot oder als Pflicht zur Hundekotaufnahme analysieren?
Eigentlich ist es egal. Das Wort umschreibt genau, worum es geht, nämlich die Pflicht, Hundekot aufzunehmen. Der Bedeutungsunterschied zwischen den beiden Strukturanalysen ist, wenn es überhaupt einen gibt, vernachlässigbar. Der Hundebesitzer, um den es hier geht, schert sich sowieso nicht darum. Deshalb mache ich mir nun keine weiteren Gedanken mehr zur Struktur dieses Wortes, erfreue mich am Sonnenschein und hoffe, dass ich das fehlbare Frauchen oder Herrchen bald einmal auf frischer „Nicht-Tat“ ertappe und sie oder ihn zur Rede stellen kann.