Fragen
In meinem Lehrbuch steht folgender Satz: „Sie sollte zwischen 35 und 45 Jahren alt sein.“ Ich kann mir das n am Wort Jahren nicht erklären.
Antwort
Sehr geehrte Frau K.,
das en bei Jahren ist die Endung des Dativ Plural. Sehen Sie zum Beispiel:
in diesen Jahren
mit den Jahren
Im Lehrbuch wird der Dativ wahrscheinlich deshalb verwendet, weil zwischen bei statischen Angaben in der Regel mit dem Dativ steht:
Der Baum steht zwischen dem Haus und dem Garten.
das Verhältnis zwischen ihm und ihr
So weit, so gut. Trotzdem ist es nicht verwunderlich, dass Sie zweifeln. Bei Alters-, Zeit-, Mengenangaben u. Ä., die mit zwischen … und … ausgedrückt werden, hat zwischen nämlich oft keinen Einfluss auf den Fall. Man wählt dann normalerweise den Fall, der steht, wenn man nur eine der beiden Angaben verwendet:
Sie ist zwischen 35 und 45 Jahre alt.
wie: Sie ist 35 Jahre alt.Sie haben zwischen 80 und 100 Bücher verkauft.
wie: Sie haben 80 Bücher verkauft.Das Unternehmen schickt seine Mitarbeiter zwischen zwei und drei Jahre ins Ausland.
wie: Das Unternehmen schickt seine Mitarbeiter drei Jahre ins Ausland.
Der Dativ wird hier ebenfalls verwendet, er ist aber unüblich und sollte besser vermieden werden. Deshalb kommen Ihnen Formulierungen wie die folgenden eher seltsam (?) oder sogar falsch (*) vor:
? Sie ist zwischen 35 und 45 Jahren alt.
* Das Unternehmen schickt seine Mitarbeiter zwischen zwei und drei Jahren ins Ausland.
? Sie haben zwischen 80 und 100 Büchern verkauft.
Natürlich ist das wieder einmal nicht alles: Wenn solche Angaben mit zwischen … und … im Satz nicht durch eine einfache Angabe ersetzt werden können, wählt man den Dativ:
Dies betrifft vor allem Frauen zwischen 35 und 45 Jahren.
Der Kochkurs ist geeignet für Kinder zwischen 9 und 12 Jahren.Nicht möglich:
*Dies betrifft vor allem Frauen 35 Jahre(n).
*Der Kochkurs ist geeignet für Kinder 12 Jahre(n).
Immer falsch ist übrigens die Verbindung von zwischen und bis:
NICHT:
Sie sind zwischen 9 bis 12 Jahre alt.Sondern:
Sie sind 9 bis 12 Jahre alt.
Sie sind zwischen 9 und 12 Jahre alt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
“zwischen 35 und 45 Jahren alt” ist grundsätzlich falsch, denn hier bezieht sich “zwischen” nur auf die Zahlangaben, nicht jedoch darauf, was gezählt wird.
Das “-n” bei “Dies betrifft vor allem Frauen zwischen 35 und 45 Jahren” hat wiederum auch nichts mit dem “zwischen” zu tun, es stünde da auch bei “über” oder “unter 35 Jahren”. Das hat vielmehr mit dem Wegfallen von “im Alter von” zu tun, also: “Dies betrifft vor allem Frauen [im Alter von] [zwischen 35 und 45] Jahren.”
Mich erstaunt es oft, wenn jemand mit einer solchen Gewissheit sagen kann, dass etwas „grundsätzlich falsch“ sei. Mit einer solchen Sicherheit könnte ich das hier nicht behaupten. Es gibt einerseits die Tendenz, das zwischen in diesen Fällen keinen Einfluss auf den Kasus hat. Die Präposition zwischen wird so zu einer Art Adverb. Dies ist z. B. auch deshalb „notwendig“, weil man sonst bei einem Satz wie Sie haben zwischen 80 und 100 Exemplaren verkauft ein Akkusativobjekt mit einer Dativendung hat (Sie haben wen oder was verkauft?). Es gibt aber auch die Tendenz, zwischen nicht zu einem Adverb zu „degradieren“. Dann bestimmt es als die Präposition, die es normalerweise ist, den Kasus. Wie auch immer: Man muss bei beiden Tendenzen eine sonst geltende Regelmäßigkeit über Bord werfen. Hier wird im Standarddeutschen allgemein die erste Tendenz befolgt. Dies wird im Blogeintrag auch gesagt und empfohlen. Einen durch zwischen bestimmten Dativ zu verwenden ist aber aus den genannten Gründen nicht einfach „grundsätzlich falsch“, sondern eine andere, standardsprachlich weniger übliche Wahl beim Zusammentreffen von zwei widersprüchlichen Regelmäßigkeiten.
Natürlich kann man nun einfach sagen, dass standardsprachlich zwischen in solchen Fällen „grundsätzlich“ keinen Einfluss auf den Kasus des Nomens hat, aber damit erzählt man nicht die ganze Geschichte (und die Grammatik wird noch trockener, als viele sie ohnehin schon finden).
Ist das auch so bei “bis zu 100 Jahre(n) alt”?
“Bis” ist ja ohnehin mit Akk. und “zu” wird zum Adverb, also eher kein n. Kann man das so sagen?
MfG
Kann man “zwischen” in solchen Fällen auch ohne Zahlangaben gebrauchen? Nein. Bei anderen Präpositionen, die sich wirklich auf ein Substantiv beziehen, geht das: “für einen / zwei / irgendwelche / – / … Menschen”. Bei “zwischen”+Zahlen geht das nicht: “Sie haben zwischen 80 und 100 Tische verkauft” -> “Sie haben zwischen Tischen verkauft” – bedeutet also etwas ganz anderes als das erste “zwischen”. Von daher gibt es keinen Grund, dieses “zwischen” wäre eine Präposition. Es bezieht sich in solchen Fällen stets nur auf die Zahl. Desgleichen beim “bis zu”: weder das “bis” noch das “zu” haben irgendwas mit dem Fall zu tun: “Kisten mit bis zu 100 Exemplaren” “…enthalten bis zu 100 Exemplare” etc.
Sehr geehrter Herr Sapir, Sie führen hier weitere, übrigens gute Argumente an, weshalb man sich dafür entscheiden kann oder sollte, zwischen bei Zahlenangaben nicht als Präposition anzusehen. In meiner letzten Reaktion habe ich indirekt auch schon ein solches Argument angegeben. Ich befinde mich hier in der etwas sonderbaren Lage, dass ich eine Lösung verteidigen muss, die ich eigentlich als die weniger gute ansehe. Ein wichtiger Grund, weshalb man zwischen als Präposition ansehen kann, ist, dass es dies sonst (auch in Kombination mit und) immer ist. Solche Analogien sind in der Sprache sehr stark wirksam. Man muss hier also entscheiden, ob man a) zwischen bei Zahlenangaben entgegen dem sonst Üblichen nicht als Präposition ansieht oder ob man b) zwischen auch bei Zahlenangaben als Präposition behandelt und dafür andere Regelmäßigkeiten außer Acht lässt. Sie müssen jetzt nicht noch weitere Argumente für a) anführen, denn ich stimme Ihnen ja insofern zu, dass es die bessere Lösung ist. Ich bin nur nicht mit Ihnen einverstanden, dass die Lösung b) „grundsätzlich falsch“ sei. Es gibt auch Argumente für die Lösung b). Das ist auch der Grund, weshalb man oft – und nicht nur in der Umgangsprache – hört und liest: Sie sind zwischen 18 und 20 Jahren alt. Leute, die so formulieren, sind nicht einfach ungebildet und verstehen nichts von deutscher Grammatik, nein, sie folgen bewusst oder wahrscheinlich meist unbewusst einer anderen „Logik“ als Sie (und ich).
Nun, sagen wir mal, Lösung B wäre gleichwertig. Warum dann also ausgerechnet den Dativ bevorzugen? “Er hat den Tisch zwischen die Stuhle hingestellt.”
Der Dativ wird in diesen Fällen deshalb gewählt, weil solche Angaben eines Bereiches, einer Periode u. Ä. statische Angaben sind. Bei statischen Angaben steht die Wechselpräposition zwischen mit dem Dativ:
Die Präposition zwischen wird dann mit dem Akkusativ verwendet, wenn es um eine Hinbewegung (wörtlich oder im übertragenen Sinne) auf einen gewissen Bereich geht:
Doch jetzt, d.h. in einer Viertelstunde, widme ich mich einer mindestens ebenso „wichtigen“ Angelegenheit: dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2010. Möge im Spiel zwischen den Niederländern und den Spaniern die beste Mannschaft gewinnen!
Das ist ja eben das, worauf ich hinauswill: “Zwischen 8 und 12 [Jahre alt]” ist keine statische Angabe. Wäre sie eine statische Angabe (also eine richtige Präposition), könnte man sie auch in eine Richtungsangabe umformulieren.
Sehr geehrter Herr Sapir, ich wiederhole es noch einmal: Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass es besser ist, zwischen hier nicht als kasusbestimmende Präposition zu verwenden. Ich sage ja nur, dass es auch erwähnenswerte Gründe dafür gibt, warum dies doch häufig geschieht. Ich meine oben nicht, dass die Altersangabe mit zwischen statisch ist (oder nicht), sondern dass der Dativ deshalb gewählt wird, weil eine Angabe dieser Art in Analogie mit anderen statischen und mit zwischen formulierten Angaben (auch von mir) als statisch und nicht als dynamisch empfunden wird. Das ist nach einer streng regelbasierten Grammatikinterpretation zumindest zweifelhaft. Umgekehrt muss man aber in diesem Fall die sonst überall geltende Kasusbestimmung durch zwischen aufgeben. Das ist auch ein Regelbruch. Nochmals: Es ist besser und standardsprachlich vorzuziehen, hier den kasusbestimmenden Charakter von zwischen aufzugeben. Es ist die aus allen von Ihnen genannten Gründen bessere, aber nicht die einzig mögliche Art, mit der durch widersprüchliche Tendenzen entstehenden Unsicherheit umzugehen. In Sprache und Grammatik gibt es nicht nur eindeutig richtig und grundsätzlich falsch. Mehr will ich ja gar nicht sagen. Ich habe aber sehr gut begriffen, dass Sie (zumindest in diesem Zusammenhang) nicht gleicher Meinung sind.
Hallo Herr Bopp,
der Grund für die Ausnahme bei der Wechselpräposition “zwischen” im Beispiel
“Das Unternehmen schickt seine Mitarbeiter zwischen zwei und drei Jahre ins Ausland”
ist ein ähnlicher wie bei dem anderen genannten Beispiel
“Sie haben zwischen 80 und 100 Tische verkauft?.
In letzterem Fall folgt ein Akkusativ, weil “Tische” hier als Akkusativergänzung erkennbar bleiben müssen und im erstgenannten Fall folgt der Akkusativ, weil es sich um eine Zeitangabe im Akkusativ handelt.
Davon unbeschadet bleibt die Wortart von “zwischen” (als Wort für sich alleine betrachtet) natürlich selbstverständlich immer “Präposition”. Es handelt sich hierbei keinesfalls um ein Adverb.
Die Zeitangabe im Akkusativ insgesamt (“zwischen zwei und drei Jahre”) ist dann natürlich eine adverbiale Bestimmung. Dass “zwischen” hier in Verbindung mit Zahlwörtern vorkommt, spielt meines Erachtens keine Rolle.
Freundliche Grüße
Gernot Back
Mögliche Entgegnung:
Präpositionen bestimmen immer den Fall der nachfolgenden nominalen Wortgruppe. Deshalb kann zwischen hier natürlich selbstverständlich keinesfalls eine Präposition sein.
Wer hat nun recht? Es geht mir bei dieser ganzen Diskussion vor allem darum, dass man mit Begriffen wie „grundsätzlich“, „immer“, „natürlich“, „selbstverständlich“ u. Ä. bei der Beschreibung von sprachlichen Phänomenen vorsichtig umgehen sollte. Es gibt oft mehr als eine mögliche Interpretations- und Beschreibungsweise.
Hallo Herr Bopp!
ich kenne kein Wörterbuch, in dem “zwischen”, sofern es nicht als gebundenes Morphem (Präfix) fungiert, als etwas anderes geführt würde denn als “Präposition”. Das ist auch auf Canoonet so:
http://www.canoonet.eu/services/Controller?input=zwischen
Sie schreiben: “Präpositionen bestimmen immer den Fall der nachfolgenden nominalen Wortgruppe.” Dass dem nicht so ist, sehen wir ja aber gerade an den genannten Beispielen:
1a.) “Sie haben zwischen 80 und 100 Tische verkauft.” (Was?)
gegenüber
1b.) “Sie haben zwischen Tischen verkauft.” (Wo?)
und:
2a.) “Das Unternehmen schickt seine Mitarbeiter zwischen zwei und drei Jahre ins Ausland.” (Wie lange?)
gegenüber
2b.) “Das Unternehmen schickt seine Mitarbeiter zwischen zwei und drei Jahren ins Ausland.” (Welche Mitarbeiter?)
Satz 2b.) ist auch -anders als Sie dies (mit *) markiert haben- nicht ungrammatisch, klingt aber insofern komisch, als die unter Wahrung der Grammatikalität einzig mögliche Interpretation des Satzes ist, dass das Unternehmen illegalerweise Mitarbeiter _im Alter_ zwischen zwei und drei Jahren beschäftigt und diese dann auch noch ins Ausland schickt.
In Satz 2b.) müsste man “zwischen zwei und drei Jahren” als Präpositionalattribut zu “Mitarbeiter” verstehen, während “zwischen zwei und drei Jahre” in Satz 2a.) als Zeitangabe im Akkusativ eine adverbiale Bestimmung darstellt und ebenso wie die Akkusativergänzung “Mitarbeiter” direkt vom Prädikat des Satzes “schickt” regiert wird.
Freundliche Grüße
Gernot Back
Die Wechselpräposition zwischen bestimmt den Kasus des nachfolgenden Nomens: Sie steht mit dem Dativ, wenn sie eine statische Angabe einleitet, sie steht mit dem Akkusativ, wenn es sich um eine dynamische Angabe einleitet. Bei Zahlenangaben wie zwischen fünf und zehn Jahre(n) wird der Kasus des nachfolgenden Nomens (standardsprachlich?) nicht durch die Unterscheidung dynamisch/statisch, sondern durch die syntaktische Rolle des Nomens im Satz bestimmt (Akkusativobjekt, Temporalbestimmung, abhängig von einer Präposition wie von usw.). In diesem Sinne kann man sagen, dass nur die reine Zahlenangabe, nicht aber das Nomen von zwischen abhängig ist. Dann ist zwischen hier also eine besondere Art von Präposition, von der keine Nominalgruppe abhängig ist, deren Kasus es bestimmt – oder zwischen ist ein Adverb.
Hierüber ließe sich noch Einiges sagen, doch um solche grammatischen Feinheiten geht es mir ja gar nicht. Es geht mir hier nur darum – wie ich oben schon mehrmals betont habe –, dass es in gewissen Fällen mehr als eine Deutung gibt, die als richtig angesehen werden kann. Es gibt Gründe dafür, zwischen bei Zahlenangaben als besondere Verwendung einer Präposition anzusehen (siehe z. B. Ihre Argumentation), und es gibt Gründe dafür, zwischen nicht als Präposition einzuteilen (siehe z. B. Herrn Sapirs Argumentation).
Ich kenne übrigens ein Wörterbuch, in dem zwischen auch als Adverb angegeben wird:
Auch die Wörterbücher geben also bei der Frage, wie zwischen bei Zahlenangaben zu behandeln ist, keine eindeutige Antwort. Das ist auch nicht weiter schlimm, denn bei grammatischen Einteilungen gibt es immer wieder Ausnahmen und Zweifelsfälle. Deshalb befinde ich mich bei dieser Diskussion in der kuriosen Lage, dass ich gegenüber Herrn Sapir die eine Position und Ihnen gegenüber die andere Position verteidige. Das tue ich, weil ich aufzeigen möchte, weshalb ich Begriffe wie „grundsätzlich falsch“, „selbstverständlich“, „natürlich“ und „keineswegs“ bei einem Phänomen wie diesem nicht angebracht finde.