Warum es nicht beinhält heißt

Und hier gleich noch etwas zum Thema der Entstehung von Wörtern:

Frage

Mich verwirrt die unterschiedliche Deklination des Verbs beinhalten gegenüber halten, enthalten usw., zum Beispiel im Präsens, Indikativ, 3. Person Singular:

er/sie/es hält
er/sie/es enthält
aber
er/sie/es beinhaltet

Gibt es dazu einen sprachgeschichtlichen (Hinter-)Grund?

Antwort

Guten Tag P.,

der Unterschied hat tatsächlich etwas mit der Entstehung der Wörter zu tun. Verben wie enthalten, verhalten, zuhalten usw. sind mit einem Präfix von halten abgeleitet. Wie alle mit einem Präfix von einem Verb abgeleiteten Verben werden sie gleich konjugiert wie das Basisverb:

halten, hielt, gehalten; hältst, hält
enthalten, enthielt, enthalten; enthältst, enthält
zuhalten, hielt zu, zugehalten; hältst zu, hält zu

Siehe auch hier.

Anders sieht es bei beinhalten aus. Dieses Verb endet zwar auch auf –halten, es ist aber nicht mit be-in- von halten abgeleitet worden. Es kommt vom Substantiv Inhalt:

be+Inhalt(+en) => beinhalten

Ebenso entstanden sind zum Beispiel:

beanspruchen, beantragen, beauftragen, bemitleiden, bevorschussen;
entgleisen, übervorteilen, untertunneln, verabschieden, zerfleischen

Solche Ableitungen werden regelmäßig konjugiert:

beinhalten, beinhaltete, beinhaltet; beinhaltest, beinhaltet
beantragen, beantragte, beantragt; beantragst, beantragt

NICHT:

beinhalten, *beinhielt, *beingehalten; *beinhältst, *beinhält
beantragen, *beantrug, *beangetragen; *beanträgst, *beanträgt

Siehe auch hier.

Der langen Rede kurzer Sinn: beinhalten ist nicht direkt vom Verb halten, sondern vom Nomen Inhalt abgeleitet worden. Von Nomen abgeleitete Verben werden normalerweise regelmäßig gebeugt. Deshalb sagt man es beinhaltet und du beantragtest und nicht – auch wenn es irgendwie sehr gebildet klingt – *es beinhält und *du beantrugst.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

8 Gedanken zu „Warum es nicht beinhält heißt“

  1. intuitiv haben Sie Unrecht, trotzdem muss man sich Ihres überlegenen (intuitiv -> Genitiv überlegeneM) Grammatik Verständisses wohl beugen müssen… Ich hasse Sie !

  2. Sehr geehrter Herr Houfek,

    bei Verben wie beinhalten und beantragen lässt Sie Ihre Intuition, wie Sie selbst sagen, im Stich. Bestrafen Sie aber bitte nicht den sprichwörtlichen Überbringer der schlechten Nachricht. Wenn Sie deshalb jemanden hassen wollen, hassen Sie die deutsche Sprachgemeinschaft, die nicht es beinhielt, sie beantrugen und er hat sich verab(ge)schieden, sondern es beinhaltete, sie beantragten und er hat sich verabschiedet sagt. Die Sprachgemeinschaft tut dies nicht, weil ich oder jemand anders es ihr vorschreibt, sondern weil die deutsche Sprache so funktioniert.

  3. Muss mich entschuldigen, hatte wohl einen zuviel gestern Nacht, ist auch wirklich eher sprichwörtlich zu verstehen. Natürlich hasse ich niemanden nur weil er/sie korrekt deutsch spricht, genau so wenig könnte ich eine ganze Sprachgemeinschaft hassen, und ja, so funktioniert die Sprache eben.

    Also nehmen Sie es mir Bitte nicht übel, war wirklich weniger ernst gemeint als es klang, und nebenbei, hätte ich nicht gedacht das mit “beinhält” etwas Faul ist, wäre ich auch nicht auf dieser Webseite gelandet.

    Grüße

  4. Entschuldigung natürlich angenommen. Ich fühlte mich auch nicht angegriffen, sondern wollte einfach wieder einmal verdeutlichen, dass ich nicht die Grammatik mache, sondern nur versuche, sie zu beschreiben.

  5. Sehr geehrter Herr Dr. Bopp,

    vielen Dank für die Erläuterung, dass das Verb “beinhalten” vom Substantiv “Inhalt” abgeleitet sei.

    Genau deshalb ist dieses leider sehr in Mode gekommene und immer häufiger zu findende Wort meiner Meinung nach ein Musterbeispiel für Dummdeutsch. Aus zwei Gründen:

    Geht es, wenn “beinhalten” verwendet wird, tatsächlich um einen “Inhalt”, kann man ebenso – oder eben eigentlich viel besser – “enthalten” verwenden. Einen guten Grund, das pseudointellektuelle, in früheren Ausgaben des Duden völlig zu Recht als “Kanzleideutsch” verpönte “beinhalten” zu verwenden, gibt es dann nicht. Außer vielleicht, miserablen Sprachstil beweisen zu wollen.
    Oft haben die mit diesem Verb versehenen Subjekte aber gar keinen “Inhalt” im eigentlichen Sinne, weshalb “enthalten” sich dann zu Recht merkwürdig falsch liest. Beispiel:
    “Der Reisepreis beinhaltet…” Ein Preis hat keinen Inhalt. Der Preis kann vielleicht “umfassen” oder “einschließen”, aber nicht “enthalten”.
    Wenn aber die Wortschöpfung “beinhalten” einen Inhalt voraussetzt, dann kann in diesen Fällen selbstverständlich auch “beinhalten” nicht richtig sein, sondern nur noch dümmer.

    Außerdem drückt das Präfix “be-” in der deutschen Sprache bei Verben doch ein aktives Tun aus, nämlich etwas oder jemanden mit etwas zu versehen. Bei den von Ihnen angeführten Beispielen beanspruchen, beantragen, beauftragen, bemitleiden, bevorschussen stimmt das ebenso wie bei bemalen, begrüßen, bevormunden oder beleuchten.
    “Beinhalten” müsste also dann bedeuten, etwas oder jemanden mit Inhalt zu versehen. Etwa “Ich beinhalte die Mülltonne.” oder “Der Autor beinhaltet sein Buch mit vielerlei Phrasen.”
    Gemeint ist aber doch “einen Inhalt haben”, also bezogen auf das Subjekt passiv, nämlich das Subjekt… enthält!

    Ich kann und werde mich nicht an “beinhalten” gewöhnen und ersetze es in Texten, wo immer sich mir die Gelegenheit bietet.

    Vielleicht könnten Sie sich mir anschließen?

    Freundliche Grüße aus Gerlingen bei Stuttgart von
    Burkhard Vogel,

    der gelegentlich beim Yoga auch mal sein Bein hält.

  6. Sehr geehrter Herr Vogel,

    Ihnen anschließen kann ich mich nur insofern, als auch ich das Wort beinhalten nicht für ein stilistisches Meisterwerk halte. Man verwendet besser umfassen, enthalten, einschließen oder bedeuten. Diese Eigenschaft hat es mit vielen anderen sog. papierdeutschen Wortschöpfungen wie beanschriften und bezuschussen gemeinsam. Es gibt aber schlimmere Wortschöpfungen. Auch mir ist dieses Verb schon einmal aus der Tastatur gerutscht, ohne dass ich mich gleich als großen Stilsünder ansehen würde.

    Ob beinhalten wegen seiner Herkunft nur bei wirklichen Inhalten verwendet werden darf, ist fraglich. Sobald es nämlich die Bedeutung einschließen, umfassen erhält, können sogar Preise etwas beinhalten. Die Bedeutung komplexer Wörter umfasst mehr als nur die Summe der Bedeutungen der ursprünglichen Elemente. Womit umfasst zum Beispiel ein Reisepreis die Transferkosten zum Hotel, wenn man sagt, dass er diese Kosten umfasst? Impliziert das Verb fassen in Kombination mit um nicht ein Instrument oder Mittel, mit dem man umschließt oder einfasst?

    Die Vorsilbe be- drückt im Deutschen sehr oft (vor allem in Verbindung mit einem Substantiv) aktives Tun im Sinne von jemanden oder etwas mit etwas zu versehen aus. Das ist aber nicht immer der Fall, denn dann wären genau genommen auch zum Beispiel beanstanden, bemängeln, bewahrheiten und bezirzen falsch. Die Basisfunktion von be- ist die Bildung von transitiven Verben, und genau das tut es hier: etwas zum/als Inhalt haben – etwas beinhalten. Eine ähnliche Bedeutungsstruktur haben auch z. B. beabsichtigen, bevorzugen, bezielen.

    Es bleibt aus meiner Sicht also nur unser Einwand, dass beinhalten aus stilistischen Gründen besser vermieden werden kann, doch selbst darüber ließe sich – wie meist bei Stilfragen – im Grunde genommen diskutieren. Die Bezeichnung „Dummdeutsch“ zu verwenden ist hier also nicht nur anmaßend, sondern auch unzureichend untermauert. Schlechter Stil ist schlechter Stil, nicht Dummheit.

    Ich halte es allgemein nicht für angebracht, wenn man Sprachgebrauch, der einem nicht genehm ist, mit Ausdrücken wie Dummdeutsch oder Deppen… bezeichnet. Sprachfragen wie diese sind oft komplexer als man annimmt, so dass man mit solch harten Worten nicht nur der Höflichkeit wegen vorsichtig sein sollte.

  7. Sehr geehrter Herr Dr. Bopp,

    vielen Dank für Ihre sachkundige und für mich sehr aufschlußreiche Antwort. Auch die milde Kritik an meiner Polemik nehme ich als völlig zu Recht erfolgt gern an. Ich werde mich künftig bemühen, gelassener zu bleiben und vor allem nicht mehr so vorschnell abwertend zu urteilen.

    Ihren Blog werde ich, so es die Zeit erlaubt, mit großem Vergnügen weiter verfolgen. Denn Ihre Antworten und kleinen Artikel zu sprachlichen Gegeben- wie Begebenheiten empfinde ich als ebenso lehrreich wie unterhaltsam. Zumal ich mich in kurzen Pausen gern von der sprachlichen Wirklichkeit meiner Tätigkeit erhole, ist doch die Kombination von Juristerei und Computerindustrie gerade stilistisch nicht immer erfreulich.

    Weitere Fragen aus der Welt des “gedownloadet” sind nicht ausgeschlossen.

    Freundlich grüßt
    Burkhard Vogel

  8. Ich hatte auch eine aehnliche Frage. Sie lautete:
    Er spricht…/ Er bespricht
    Er hält…/ Er behält
    Er trägt…. / Er trägt vor / Er trägt an
    Aber warum?
    Er beantragt (und nicht: Er beanträgt)

    Nach langem Suchen im Internet habe ich die obige Diskussion gesehen.
    Vielen Dank.

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