Schon wieder geht es darum, wie neue Wörter entstehen:
Frage
Anscheinend bin ich nicht die einzige, die Sätze wie „ich facebooke“, „Das muss ich gleich mal facebooken“ oder „Heute schon getwittert?“ sagt.
– Wie werden neue Wörter in ein Wörterbuch aufgenommen?
– Warum bilden wir neue Verben?
– Welche Regeln gibt es für neue Wortbildungen?
Das Verb „googeln“ steht ja schon ein paar Jahre im Duden und auch in Canoonet.
Antwort
Sehr geehrte Frau W.,
ein neues Wort wird in der Regel dann in Wörterbücher aufgenommen, wenn es über eine längere Zeit (ein paar Jahre) häufiger in Zeitungen, Büchern, Artikeln usw. erschienen ist. Das ist, grob gesagt, das Hauptkriterium.
Neue Verben bilden wir dann, wenn es neue Tätigkeiten und Vorgänge gibt, die wir benennen wollen oder müssen. Deshalb sind vor einiger Zeit die Verben morsen, funken, telegrafieren, telefonieren, faxen usw. entstanden. Das Gleiche findet nun auch im Bereich der neuen Informations- und Kommunikationsmittel statt.
Das Verb twittern scheint schon ziemlich eingebürgert zu sein und ist auch bereits in den ersten Wörterbüchern zu finden. Bei uns steht es zurzeit auf der „Liste der noch aufzunehmenden Wörter“. Anders sieht es bei facebooken aus. Dieses Verb wird offenbar (noch?) weit weniger verwendet. Das hat vielleicht damit zu tun, dass Facebook eher als etwas Statisches empfunden wird, das man nicht einfach tut, sondern in dem man verschiedene Tätigkeiten ausführen kann (schreiben, mitteilen, lesen, reagieren usw.). Letzteres ist nur ein in keiner Weise überprüfter spontaner Erklärungsversuch von mir.
Das Verb facebooken ist aber wie twittern eine völlig regelmäßige Wortbildung:
Twitter –> twittern, twitterte, getwittert
Facebook –> facebooken, facebookte, gefacebookt
Diese relativ häufig vorkommende Art der Wortbildung wird u. a. Konversion oder Nullableitung (Ableitung ohne Wortbildungselemente) genannt. Eines der jüngsten allgemein bekannten Beispiele haben Sie bereits genannt: googeln. Andere, ältere und neuere Beispiele sind: kellnern, föhnen, lasern, faxen, mailen, internetten usw. usw.
Es genügt jedoch nicht, dass ein Wort korrekt gebildet worden ist, damit es in Wörterbücher aufgenommen wird. Es muss sich, wie gesagt, auch beweisen, indem es über eine gewisse Zeit regelmäßig und an verschiedenen Orten verwendet wird. Wenn Sie das Verb facebooken weiterhin fleißig benutzen, wird es vielleicht auch einmal in den Wörterbüchern erscheinen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
‘twittern’ macht in meinen Augen (und Ohren) keinen Sinn. Wenn schon, dann ‘tweeten’.
BTW: ich habe heute schon getweetet @mittie.
“twittern” macht sehr wohl Sinn, in der Bedeutung “den Dienst ‘Twitter’ nutzen”.
“Twitterst du?” (= Nutzt du Twitter?) – Das könnte man nicht angemessen ersetzen durch “Tweetest du?”
Übrigens scheint sich meinem Eindruck nach auch “zwitschern” langsam durchzusetzen für das, was Sie “tweeten” nennen, auch wenn es noch häufig eher augenzwinkernd gebraucht wird.
Auch tweeten ist eine gute oder „sinnvolle“ Neubildung. Man nennt ja einen Twitterbericht einen Tweet. Dieses Verb kommt allerdings mehr noch als twittern direkt aus dem Englischen. Im Weiteren gilt, dass Dierks Augen und Ohren hier eindeutig in der Minderheit sind. Im Deutschen wird das Verb twittern viel häufiger verwendet als tweeten und ist auf dem besten Wege, der „Standardausdruck“ zu werden. Das liegt vielleicht daran, dass der Name Twitter geläufiger ist als das Substantiv Tweet, und auch daran, dass twittern dem deutschen Verb zwitschern einfach viel ähnlicher ist als tweeten.
Hallo Herr Bopp!
Interessant fände ich die Frage ob “facebooken” im Deutschen nur als nicht-trennbares Verb benutzt wird, ob es im Partizip II also nur “gefacebookt” und nicht auch “facegebookt” heißen kann.
Oder andersherum: Welche Kriterien müssen bei einem verbalen Neologismus erfüllt sein, damit er wie im Falle von downloaden und uploaden im Deutschen sowohl als trennbares als auch als nicht-trennbares Verb konstruiert werden kann? Ich vermute, dass es sich da bereits im Englischen um ein “phrasales Verb” handeln muss, damit das deutsche Lehnverb in beiden Varianten entstehen kann.
“*facegebookt” wäre meiner Vermutung nach also deshalb nicht möglich, da es sich bei “face” im Englischen um ein Substantiv und keine Partikel handelt.
vgl.:
http://en.wikipedia.org/wiki/Phrasal_verb
http://www.canoonet.eu/inflection/uploaden&features=(Cat+V)
Das Verb facebooken wird im Deutschen deshalb nicht trennbar verwendet, weil es vom Substantiv Facebook abgeleitet ist:
Solche Ableitungen sind in der Regel untrennbar und werden regelmäßig konjugiert:
Bei facebooken handelt es sich also um eine ganz „gewöhnliche“ Ableitung von einem Substantiv. Siehe auch hier und hier.
Bei uploaden ist die Situation im Deutschen unklarer, als die Darstellung in Canoonet vielleicht vermuten lässt. Hier kommen sowohl die trennbaren als auch die untrennbaren Formen vor. Die untrennbaren Formen (ich uploade) scheinen sich aber als Standard durchzusetzen. Es könnte also sein, dass wir unsere Flexionstabellen diesbezüglich in Zukunft einmal anpassen müssen.
Das Wort Facebook ist als zusammengesetztes Substantiv aus dem Englischen zu uns gekommen. Davon ist dann im Deutschen (nach den deutschen Regeln) ein Verb abgeleitet worden. Bei uploaden wurde aber ein englisches Verb übernommen, das in seiner Struktur den deutschen trennbaren Verben wie aufladen ähnelt und deshalb tendenziell auch als solches behandelt wird/wurde. (Das englische Verb to upload ist übrigens kein phrasal verb, das würde to load up lauten.)
Hallo Herr Bopp,
Sie schreiben:
“Das englische Verb to upload ist übrigens kein phrasal verb, das würde to load up lauten.”
Das ist richtig, aber auch das Verb “to load up” könnte für die deutsche Entlehnung Pate gestanden haben. Die exakte Zeichenfolge “load it up” generiert bei Google derzeit über zwei Millionen Treffer, wobei allerdings sicher nicht alle mit Datenübertragung zu tun haben. Der folgende Link zu Seite einer australischen IT-Fachjournalistin jedoch mit Sicherheit:
http://www.geekgirls.com/basic_plug_it_in.htm
Meine Aussage, die Sie zitieren, ist tatsächlich ungenau. Das deutsche Verb uploaden könnte auch vom englischen „phrasal verb“ to load up kommen. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, da im Deutschen die Reihenfolge der Elemente in der Regel beibehalten wird, wenn solche (substantivierte) Verben übernommen werden. Meist sind es im Deutschen dann nicht Verben, sondern Substantive:
Die Umdrehung der Elemente sieht man eigentlich nie. Also nicht zum Beispiel:
Bei den Verben, die eine solche „umgedrehte“ Form aufweisen, gibt es in der Regel auch ein entsprechendes Verb im Englischen
Wenn man sich etwas Mühe gibt, findet man vielleicht Gegenbeispiele, aber es handelt sich hier zumindest um starke Tendenzen.
Die oben stehenden Verben sind im Deutschen deshalb problematisch, weil sie in Struktur und Betonung sehr den deutschen trennbaren Verben ähneln. Deshalb entsteht auch die Unsicherheit, ob es nun ich loade up oder ich uploade heißt.
Hier spielen die „phrasal verbs“ dann doch eine gewisse Rolle, allerdings nur indirekt. Ein Verb wie to upload hat, wie Sie zu Recht sagen, im Englischen auch eine Entsprechung als „phrasal verb“: to load up (aufladen). Sprachgeschichtlich sind „phrasal verbs“ eng mit den deutschen trennbaren Verben verwandt. Während sie im Deutschen nur im Hauptsatz getrennt sind (ich lade auf aber aufladen, dass ich auflade), sind sie dies im Englischen immer (I load up, to load up, that I load up).
Hallo Dr. Bopp,
warum heißt es überhaupt “facebooken” (von facebook) und nicht zum Beispiel “facebookieren” wie bei “telefonieren” (von Telefon)? Oder “twitterieren”? Oder wie kam es statt zum “faxieren” zum “faxen”?
Viele Grüße
Chrissi
Das Suffix -ieren wird heute nicht mehr so häufig verwendet, um neue Verben zu bilden. Es steht vor allem bei Wörtern lateinischen und romanischen Ursprungs. Heute bevorzugt man die Ableitung ohne Suffix, insbesondere bei Wörtern aus dem Englischen, wo die suffixlose Verbbildung ebenfalls häufig vorkommt. Beispiele neuerer Verben:
Außerdem klingt facebookieren wie etwas, was eine distinguierte ältere Dame tut. Es passt auf keinen Fall zum Image der Social Media … (Womit ich jetzt nicht gesagt haben möchte, dass distinguierte ältere Damen nicht zeitgemäß mit Social Media umgehen könnten. Es geht ums Image, nicht um die Wirklichkeit.)