Eine Frage, die immer wieder auftaucht, ist die Unterscheidung zwischen gebe und gäbe. Da die gleiche Frage bei sei und wäre oder habe und hätte bei weitem nicht so oft gestellt wird, können diese Formen herangezogen werden, wenn dringlich Soforthilfe benötigt wird.
Frage
Gelegentlich werde ich beruflich dazu angehalten, über Sitzungen Protokoll zu führen. Ich verfasse diese im Konjunktiv („XY bestätigt, dass dies richtig sei.“). Nun begegne ich aber immer wieder dem Problem, wann es denn nun richtig ist, „gebe“ oder „gäbe“ zu verwenden. Beispiele:
XY erklärt, es gebe/gäbe Überlegungen…
Bezüglich xy gebe/gäbe es einige Änderungen.
XY berichtet, dass es keine eindeutige Richtlinie gebe/gäbe.
Antwort
Sehr geehrte Frau R.,
theoretisch ist es ganz einfach: Die Form gebe steht im Konjunktiv I, die Form gäbe im Konjunktiv II. Doch wer weiß schon immer genau, wann man welchen Konjunktiv verwenden kann, muss oder darf? Deshalb werde ich hier ausnahmsweise auf grammatikalische Betrachtungen verzichten und Ihnen einfach eine Eselsbrücke angeben, die für die meisten** ganz gut funktioniert:
gebe wie sei und habe
gäbe wie wäre und hätte
Man schreibt gebe, wenn man an gleicher Stelle für das Verb sein die Form sei oder für haben die Form habe verwenden würde. Man schreibt gäbe, wenn man für sein oder haben auch die Form mit ä nehmen würde (wäre, hätte).
Für Ihre Beispiele gilt also:
XY erklärt, es gebe Überlegungen
vgl. es sei überlegenswertBezüglich xy gebe es einige Änderungen
vgl. bezüglich XY sei einiges geändert wordenXY berichtet, dass es keine eindeutigen Richtlinien gebe
vgl. dass man keine eindeutigen Richtlinien habe
Der Vollständigkeit halber noch zwei Beispiele für gäbe:
XY sagt, dass es eine bessere Lösung gäbe, wenn man mehr Zeit hätte.
vgl. dass eine bessere Lösungen möglich wäre, wenn man …Wenn er nur endlich Ruhe gäbe!
vgl. Wenn er nur endlich ruhig wäre!
Ganz ohne Grammatikalisches will ich hier doch nicht enden: In der indirekten Rede verwendet man im Prinzip (aber nicht immer …) den Konjunktiv I. Wenn also jemand gibt gesagt oder geschrieben hat, erscheint das in der indirekten Rede als gebe. Falls Sie doch noch mehr zur Verwendung des Konjunktivs wissen möchten, finden Sie auf dieser Grammatikseite allgemeine Angaben und weiterführende Links.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
** Diese Eselsbrücke funktioniert auch für diejenigen (hauptsächlich Norddeutsche), die es hier besonders schwer haben, weil sie ein langes ä wie ein langes e aussprechen. Wenn man Säle gleich wie Seele und wäre gleich wie Wehre ausspricht, klingt gäbe auch genau gleich wie gebe.
Lieber Doktor Bopp, obwohl man nach Ihrem Grammatikverständnis keine Fehler in der Rechtschreibung mehr machen kann, würde ich Ihren Satz:
XY sagt, dass es eine bessere Lösung gäbe, wenn man mehr Zeit hätte.
doch für reichlich falsch halten, nach meinem antiquierten Verständnis. Er müßte lauten:
XY sagt, daß es eine bessere Lösung gebe, wenn man mehr Zeit habe..
Der ‘Grund ist einfach der, daß in der indirekten Rede immer der Konjunktiv steht, der Konjunktiv eins, versteht sich, nur wenn dieser mit dem Indikativ identisch wäre, würde auf den Konjunktiv zwei ausgewichen werden.
Lieber oder liebe Heruler,
als ich im Beitrag schrieb, dass ich auf grammatikalische Betrachtungen verzichten werde, tat ich dies vor allem darum, weil die Verwendung des Konjunktivs in der indirekten Rede ein sehr komplexes Phänomen ist. Ihre Reaktion gibt mir hier die Möglichkeit, einen besonderen grammatischen Aspekt etwas näher zu beleuchten.
Die Regel, dass man in der indirekten Regel immer den Konjunktiv I verwenden muss, außer wenn er sich nicht vom Indikativ unterscheidet, ist eine allgemeine Grundregel und kann als solche eine wertvolle Hilfestellung sein: Wenn man sich an diese „Konjunktiv-I-Regel“ hält, macht man es (fast immer, siehe unten) richtig. Sie wird aber den Ausdrucksmöglichkeiten der deutschen Standardsprache, der heutigen und der „antiquierten“, nicht gerecht: Wenn man von dieser Regel abweicht, macht man nicht automatisch einen Fehler. Da Sie meinem Grammatikverständnis offenbar nicht vertrauen, verweise ich Sie für weitere Informationen nicht wie im Beitrag auf die Canoonet-Grammatik, sondern auf zum Beispiel die Duden-Grammatik (7. Auflage, 2005, Randnummern 762-778) oder auf das Grammis-Projekt des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (hier und hier).
Im von Ihnen beanstandeten Satz geht es allerdings um einen besonderen Fall, den ich hier doch erwähnen will. Alle Grammatiken, welche die „Konjunktiv-I-Regel“ angeben, beziehen sich dabei immer auf die Wiedergabe von im Indikativ formulierter direkter Rede (meist ohne dies zu erwähnen). Es geht aber im Beispielsatz, den Sie kritisieren, um die Wiedergabe von im Konjunktiv formulierter direkter Rede. Dann muss in der indirekten Rede immer der gleiche Konjunktiv verwendet werden wie in der direkten Rede:
a) Direkte Rede im Indikativ
direkt: Er sagt: „Ich bin froh, wenn ich genug Geld zum Leben habe.“
indirekt: Er sagt, dass er froh sei, wenn er genug Geld zum Leben habe.
b) Direkte Rede im Konjunktiv II (Irrealität)
direkt: Er sagt: „Ich wäre froh, wenn ich genug Geld zum Leben hätte.“
indirekt: Er sagt, dass er froh wäre, wenn er genug zum Leben Geld hätte.
Es ist selbst in formellem Standardeutsch nicht korrekt, die direkte Rede b) mit der indirekten Rede a) wiederzugeben: Wenn berichtet wird, dass jemand gesagt habe, dass er froh sei, wenn er genug Geld zum Leben habe, kann diese Person nicht gesagt haben: „Ich wäre froh, wenn ich genug zum Leben Geld hätte.“ Ein Konjunktiv II, der Irrealität ausdrückt, muss auch in der indirekten Rede als Konjunktiv II wiedergegeben werden. Genau das ist im genannten Beispielsatz der Fall:
indirekt: XY sagt, dass es eine bessere Lösung gäbe, wenn man mehr Zeit hätte.
= direkt: XY sagt: „Es gäbe eine bessere Lösung, wenn man mehr Zeit hätte.
Ihr Vorschlag gibt eine andere direkte Rede wieder:
indirekt: XY sagt, dass es eine bessere Lösung gebe, wenn man mehr Zeit habe.
= direkt: XY sagt: „Es gibt eine bessere Lösung, wenn man mehr Zeit hat.
Wenn man die „Konjunktiv-I-Regel“ für die indirekte Regel zu streng auslegt, gibt es auch in einwandfreiem Standarddeutsch Ausnahmen, bei der sie zu falschen Formulierungen führt. Man muss also auch hier aufpassen, dass man nicht übergeneralisiert.
Sehr geehrte Frau oder sehr geehrter Herr Heruler
Es ist ganz und gar nicht so, dass nach Dr. Bopps Grammatikverständnis keine Grammatikfehler mehr möglich sind. Es ist eher so, dass Dr. Bopp vor lauter Bäumen doch noch den Wald zu sehen vermag. Und betreffend die Konjunktiv I- respektive Konjunktiv-II-Variante beim Beispiel von Frau R.: Der Konjunktiv II ist die einzig richtige Variante. Bereits Descartes sagte, er denke, also sei er.
Mit freundlichen Grüssen
I.H.
Lieber Dr. Bopp und alle Beteiligten,
tatsächlich stand ich soeben auch vor der Frage ob ich im Rahmen einer Formulierung “gäbe” oder “gebe” schreiben sollte.
Nachdem ich nun den obigen Beitrag gelesen habe, was mich einige Minuten gekostet hat und mich ob der enthaltenen Fachbegriffe und unterschiedlichen Theorien überhaupt nicht weitergebracht hat, steht für mich fest:
Die Sprache gehört dem Volk und ist pragmatische Medium zur Interaktion untereinander. Dabei kommt es darauf an, dass die Beteiligten sich inhaltlich verstehen. Völlig belanglos ist in den allermeisten Fällen hingegen, ob grammatikalische Formalitäten eingehalten werden oder nicht.
Es geht also sehr viel weniger um ein theoretisch korrektes Maximum, als vielmehr um ein praktisches Optimum.
Fazit: Ich weiss immer noch nicht, ob es formell richtig gäbe oder gebe heisst. Praktisch ist es mir einerlei, weil ich überzeugt bin, dass meine Leser den Sinn meiner Aussage verstehen werden.
Shcliessilich ist ja iznwischen bweeisen , das slesbt das hier jdeer lseen knan.
Geniessen wir also das letzte Stück Freiheit: Solange auf einen Verstoss gegen die Rechtschreibung noch keine Haftstrafe droht, widmen wir uns lieber inhaltlich wichtigeren Dingen.
Ist es wirklich so schwierig, die Fachbegriffe und Theorien zu verstehen, die bei der im eigentlichen Artikel genannten Eselsbrücke verwendet werden?
Oder noch kürzer im Titel des Beitrags:
In den Kommentaren wird es dann aber tatsächlich “happiger”. Lassen Sie sich aber dadurch nicht erschrecken. Es geht dort um einen Spezialfall, der eigentlich nur denjenigen Schwierigkeiten bereitet, die meinen, die Regeln besonders gut zu kennen.
Ansonsten haben Sie recht: Rechtschreibung und Grammatik sind natürlich keine weltbewegend wichtigen Dinge.
Sehr geehrter Dr. Bopp,
könnten Sie mir sagen, wie der Konjunktiv von ” verzichten” ist ? Ohne allerdings “würde” zu gebrauchen! Ich habe den Satz geschrieben: ” Wenn ich so fair bin, und auf …verzichte…” und wollte das als Konjuntiv verstanden haben. Der Satz wird mir jetzt nicht als Konjuntiv ausgelegt, sondern als Aussage. Ansonsten hätte ich geschrieben, “da ich so fair bin und auf …verzichte”.
Ich bin noch von der alten Schule und finde den Konjunktiv mit würde gebildet ganz furchtbar. Ich finde jetzt aber nirgends den althergebrachten Konjunktiv für verzichten. Wäre prima, wenn Sie mir weiterhelfen könnten.
Vielen Dank für Ihre Petra Kohrs
Die Konjunktivformen von verzichten finden Sie zum Beispiel hier.
Wenn ich Ihr Beispiel richtig verstehe, möchten Sie hier den Konjunktiv II verwenden:
Hier wird allerdings im heutigen Deutschen, auch im Standarddeutschen, die würde-Form bevorzugt, weil sich die Konjunktiv-II-Form nicht vom Indikativ Präteritum unterscheidet. Siehe auch Die würde-Form anstelle des Konjunktivs II.