Nicht alles was liegt, ist gelegt worden

Frage

Wir rätseln gerade, was genau eigentlich der Unterschied zwischen „werfen“ und „legen“ ist. Ich gehe davon aus, dass bei einem Wurf das geworfene Objekt beide Hände verlässt, beim Legen jedoch nicht. Mein Freund dagegen meint, man könne ein Objekt auch durch einen Wurf hinlegen, es käme also nur auf den Zustand an, den das Objekt am Schluss hat.

Anwort

Guten Tag S.,

wenn man etwas legt, bringt man es an eine bestimmten Stelle und hinterlässt es dort in liegender Lage. Dabei ist man mit dem Gelegten in Kontakt, bis es sich an dieser Stelle befindet. Wenn man ein Buch auf den Tisch legt, lässt man es erst los, wenn es dort liegt. Die letzte „Bedingung“ ist bei werfen nicht erfüllt. Wenn ein schmollender Sohn oder eine trotzige Tochter auf die Bitte, ein Buch auf den Tisch zu legen, dieses auf den Tisch wirft, liegt es danach zwar auf dem Tisch, aber ein elterlicher Kommentar könnte dann zu Recht lauten: „Ich habe ‚legen‘ gesagt, nicht ,werfen‘!“ Ob der Kommentar dem Hausfrieden zuträglich wäre, wage ich zu bezweifeln, doch was die Wortbedeutung betrifft, wäre er zutreffend. Legen und Werfen können zum gleichen Resultat führen (etwas liegt), aber man kann etwas nicht legen, indem man es wirft.

Wenn man etwas wirft, schleudert man es mit einer Hand- und Armbewegung mehr oder weniger kräftig irgendwohin. Das Loslassen des Geworfenen unterscheidet dabei, wie gesagt, das Werfen vom Legen. Aber nicht nur das: Über die Lage des Geworfenen am Ende der Bewegung sagt das Verb werfen im Gegensatz zu legen nichts aus. Wenn man ein Buch auf den Tisch wirft, fliegt es durch die Luft und landet auf dem Tisch. Nur das Wissen über Bücher und Tische lässt einen dann annehmen, dass es danach wahrscheinlich auf dem Tisch liegt und nicht steht. Durch Zufall oder eine hervorragende Wurftechnik könnte ein dickeres Buch danach auch auf dem Tisch stehen.

Was man legt, liegt danach. Doch nicht alles, was liegt, ist gelegt worden. Es kann zum Beispiel auch gefallen sein, auf den Boden gesunken sein, herbeigeschwebt sein, geworfen worden sein oder sich ganz einfach materialisiert haben – Letzteres allerdings meist nur in Kontexten wie Star Trek oder Harry Potter.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp