Vor einiger Zeit kam hier die Frage auf, ob man Cervelatwurst oder Zervelatwurst schreibt. Gemeint ist nicht der Schweizer Cervelat, den man im Sommer an beiden Enden einschneidet, aufspießt und über einem Lagerfeuer halb verkohlen lässt, weil man nicht aufpasst. So sieht jedenfalls mein nostalgisch verklärter Blick diese Wurst. Andere denken vielleicht eher an einen Wurst-Käse-Salat mit Cervelat und Gruyère. Doch ich schweife ab. Es geht hier um die Dauerwurst, die zwar der Salami gleicht, die aber, wie Kenner wissen, etwas ganz anderes ist (u. a. feinkörniger, ohne Knoblauch).
Nach der Wörterliste, die zur amtlichen Rechtschreibregelung gehört, kann man Zervelatwurst oder Servelatwurst schreiben. Die deutschen Kollegen und Kolleginnen aus Nord und Süd (als Schweizer ist einem diese Wurstart mehr oder weniger unbekannt) meinten aber, sie würden auch oder vor allem die Schreibung Cervelatwurst kennen.
Ich konnte nur auf die Rechtschreibregelung verweisen. Damit war man aber nicht zufrieden. Es wurde deshalb beschlossen, die entsprechende DIN-Norm herbeizuziehen. Es gibt schließlich für alles eine DIN, es muss also auch eine Wurst-DIN geben. Hendrik hat sich der Sache angenommen (wofür hier noch einmal ganz herzlichen Dank) und ist zu folgendem enttäuschendem Ergebnis gekommen:
Es gibt keine entsprechende DIN. Dafür gibt es aber das sogenannte Lebensmittelbuch vom deutschen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), in dem unter anderem jedes Fleischerzeugnis in seiner Rezeptur definiert wird, um sich der „Verkehrsbezeichnung XYZ“ rühmen zu dürfen.
Die Verkehrsbezeichnung ist in §4 der deutschen Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln geregelt. Dort heißt es, dass jedes Lebensmittel die richtige Verkehrsbezeichnung zu tragen hat. Diese Verkehrsbezeichnung (zum Beispiel Cervelatwurst, Gouda, Orangensaft) muss der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechen. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass man einem Lebensmittelerzeugnis keine Phantasiebezeichnung geben darf und dass man Lebensmittel, die üblicherweise als z. B. Salamiwurst bekannt sind, nicht unter der Bezeichnung Gemüseeintopf in den Handel bringen darf.
Die allgemeine Verkehrsauffassung ist, wie der Name ja schon vermuten lässt, keine in Stein gemeißelte Definition, sondern eben eine übliche Auffassung. Als Grundlage wird in Deutschland üblicherweise das schon erwähnte Lebensmittelbuch vom BMELV verwendet. Dort findet man unter dem Punkt 2.211.07 der „Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse“ die Vorgaben über die Zusammensetzung von Cervelatwurst.
Der langen Rede kurzer Sinn: Die Schreibweise scheint nicht festgelegt zu sein. Das BMELV verwendet in den als übliche Definition anerkannten Leitsätzen jedoch die Schreibweise Cervelatwurst.“
Weiter meinte Hendrik (mit einem Augenzwinkern), dass ihn dies nicht so recht zufriedenstellen könne, weil er als Deutscher lieber eine klare Regel habe. Auch ich muss sagen, dass mich diese Erkenntnis etwas erstaunt hat: Es gibt keine DIN für Wurst!
Man kann sich also an die Rechtschreibregelung halten und Zervelatwurst (oder auch Servelatwurst) schreiben. Wer nicht als Schüler oder Staatsangestellter an die amtliche Regelung gebunden ist, kann sich auch nach dem Deutschen Lebensmittelbuch richten und Cervelatwurst schreiben. Denen, die diese Wurst einfach mögen, ist die korrekte Schreibweise wahrscheinlich ohnehin – gewisse Wortspiele drängen sich so auf, dass ich sie auch mit äußerster Willensanstrengung nicht unterdrücken kann – Wurst.
Ob man “Zervelatwurst” oder “Servelatwurst” schreibt, hängt aber auch von der Aussprache ab. Bei [ts] mit Z, bei [s] mit S. Hält man sich an die BMELV ist es eine [ts]-Ervelatwurst, also gemäß dem Rechtschreibrat eine Zervelatwurst. Schon habe ich eine Regel. Sie ist zwar nicht einheitlich, aber immerhin sinnvoll.
Nachtrag: Der Rechtschreibrat nennt [s] -> c als spezielle Laut-Buchstaben-Zuordnung in Fremdwörtern, gibt als Beispiele aber nur englische und französische Wörter an.
Danke, jetzt weiß ich auch, dass Plockwurst mindestens 65 Vol.-% “bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß im Fleischeiweiß” enthalten muss. 🙂
Hier sieht man gut, dass in deutschen Landen auch ohne DIN alles bestens geregelt sein kann – und dass man bei Sachen, die einem schmecken, manchmal besser nicht allzu genau nachliest, was alles drinsteckt. Mir zumindest läuft beim Lesen von „bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß“ nicht spontan das Wasser im Munde zusammen.
Bei “Plockwurst” aber auch nicht. 😉