Frage
Wenn ich in einem Bewerbungsschreiben Folgendes formuliere: „… dann freue ich mich auf unser persönliches Gespräch…“, schreibt man dann „unser“ groß oder klein?
Antwort
Sehr geehrte Frau K.,
man schreibt wir, uns unser usw. (außer am Satzanfang) immer klein:
… dann freue ich mich auf unser persönliches Gespräch.
Die Kleinschreibung gilt auch dann, wenn wir, uns und unser in Briefen u. Ä. steht und eine Person einschließt, die man mit der großgeschriebenen Höflichkeitsform Sie anschreibt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Weiteres zu wir:
Es gibt übrigens verschiedene wir, uns und unser die man fast alle immer kleinschreibt:
Der Bescheidenheitsplural (Pluralis Modestiae) ist das wir, das verwendet wird, wenn man das Wort ich vermeiden möchte, um sich nicht zu prominent in den Vordergrund zu stellen. Er kommt häufig in der Form des Autorenplurals (Pluralis Auctoris) in wissenschaftlichen und anderen Abhandlungen vor. So schrieb man vor allem früher auch dann wir, wenn man gar keine Hilfe anderer in Anspruch genommen hatte:
Wie unsere Untersuchungen zeigen, …
Diese Form ist heute weniger üblich. Man kann hier auch ich verwenden, ohne gleich als unbescheiden zu gelten. Formulierungen, mit denen man die Leser mit einbezieht (wir = Sie und ich), kommen aber noch häufiger vor:
Damit kommen wir zum wichtigsten Punkt …
Ein alles andere als bescheidener Plural ist der Majestätsplural (Pluralis Majestatis), der von hohen Würdenträgern bei offiziellen Anlässen und in offiziellen Schreiben verwendet wird:
Wir, Beatrix, Königin der Niederlande von Gottes Gnaden […] geben bekannt, …
Gegeben zu St. Peter in Rom, am 28. Oktober 2008, im vierten Jahr unseres Pontifikats. BENEDICTUS PP. XVI.
Hier schreibt man wir und unser auch im Satzinnern oft groß. Wenn man schon in der Mehrzahl von sich spricht, kann man auch die Großschreibung in Anspruch nehmen:
im vierten Jahr Unseres Pontifikats
Königin und Papst verwenden diesen Plural wahrscheinlich nicht aus reinster Arroganz, um die eigene Person hervorzuheben. Es geht vor allem darum, die Wichtigkeit des Amtes, das sie bekleiden, zu unterstreichen.
Ein sehr bekannter, bei den Angesprochenen nicht sehr beliebter wir-Plural ist der sogenannte Krankenschwesternplural:
Guten Morgen, Frau Holzer, haben wir gut geschlafen?
Herr Schmidt, wir haben ja gar nicht alles aufgegessen.
Wir müssen unsere Pillen nehmen, liebes Kind, wenn wir gesund werden wollen.
Der Krankenschwesternplural scheint allerdings langsam der Vergangenheit anzugehören. Man hat verstanden, dass man Patientinnen und Patienten nicht unbedingt den Eindruck gibt, sie für seriöse Gesprächspartner zu halten, wenn man sie mit diesem wir anspricht.
Ein weiterer wir-Plural ist dagegen noch springlebendig: der „Fußballplural“ („Pluralis Pediludii“) oder allgemeiner der „Siegerplural“ („Pluralis Victoris“). Es geht um das wir, das man sehr, sehr oft in der Nähe von gewonnen antrifft.
Wir haben gewonnen!
Wir haben hervorragend gespielt.
Wir sind Weltmeister!
Dieses wir hat zwei interessante Eigenschaften: 1. Wer es verwendet, war nicht am Erringen des Sieges beteiligt, will sich aber gerne damit assoziieren. 2. Es ist äußerst instabil: In der Nähe von Wörtern wie verloren schlägt es plötzlich in sie oder die um:
Sie haben verloren.
Haben die wieder schlecht gespielt!
Ich nenne dieses wir „Fußballplural“, weil es am häufigsten im Zusammenhang mit dieser Sportart verwendet wir. Es kommt aber als “Siegerplural” auch bei anderen Gelegenheiten vor: Nächsten Monat findet der Liederwettbewerb der Eurovision aus deutscher Sicht in Deutschland statt, weil „wir [dank Lena Meyer-Landrut] letztes Jahr in Oslo gewonnen haben“. Und als die Bildzeitung im Jahr 2005 in Riesenlettern titelte:
WIR SIND PAPST!
wurde nicht der erste Majestätsplural des frischgebackenen Pontifex Bendediktus XVI. zitiert, nein, diese fast schon legendäre Schlagzeile war vor allem ein ausgesprochen schönes Beispiel eines „Pluralis Victoris“.
Der Pluralis Auctoris kam mir schon immer seltsam vor. Auf wirkt eine solche Person alles andere als bescheiden, denn sie erweckt den Eindruck, als ginge es um eine riesige und bedeutende Arbeit, an der unzählige Leute beteiligt waren, dabei handelt es sich nur um den bescheidenen Wisch eines einzelnen. Ich finde solche Formulierungen deshalb äusserst peinlich für den, der sie verwendet.
Dann noch zum “Krankenschwesternplural”. Dort mag er aus der Mode gekommen sein, bei Coiffeusen ist er mir in letzter Zeit (leider) des öfteren begegnet. “Wie schneiden wir Ihre Haare denn heute?”. Vielleicht muss ich das nächste Mal einwerfen, dass ich durchaus zur Mithilfe bereit wäre, falls ich eine Schere erhalte…
Ein mit dem Fussballplural verwandtes Phänomen habe ich letztes Jahr in Schottland kennen gelernt. In zahlreichen englischen Medien wurde Andy Murray im Vorfeld des Finals der Australian Open als britischer Spieler bezeichnet. Er wäre nämlich der erste britische Gewinner eines Majortitels seit 1936 geworden. Doch dann verlor er im Final gegen Roger Federer – und war prompt in den meisten englischen Medien wieder (nur) Schotte. Im laufenden Jahr ging es ihm leider nicht besser, nur verlor er diesmal gegen Novak Djokovic. Ja, die Schotten und mit ihnen viele andere “Minderheiten” haben es nicht leicht…
Danke für die weiteren Beispiele! Der wir-Plural kann tatsächlich in vielerlei Varianten verwendet werden. Dieser “Coiffeusenplural” (“Pluralis Ornatricis”) unterscheidet sich übrigens leicht vom Krankenschwesternplural:
C: Wie schneiden wir Ihre Haare denn heute?
K: Wie schneiden wir unsere Haare denn heute?
Ja, es gibt da feine Nuancen 😉