Vor langer Zeit habe ich einmal Deutsch für Fremdsprachige unterrichtet. Ich kann mich noch gut an eine spanische Dame erinnern, die im Anfängerunterricht das Wortpaar gut und schlecht vorlesen sollte: gut ging gut, aber dann seufzte sie verzweifelt, dass es ihr nie, aber auch gar nie gelingen werde, ein Wort mit so vielen Konsonanten und nur einem e auszusprechen. Als ihr klar wurde, dass sch und ch nur für je einen Laut stehen, beruhigte sie sich ein wenig. Mir kam damals gleich das Wort Zwetschge in den Sinn. Das habe ich aber wohlweislich für mich behalten. Mit welchem Wort ich die arme Kursistin wirklich hätte erbleichen lassen können, wusste ich damals noch nicht.
Frage
Schreibt man „Der Knochen wurde geröntgt“ oder „wurde geröntget“ oder existieren beide Formen. Wenn ich google, finde ich beide Formen.
Antwort
Sehr geehrte Frau V.,
man schreibt:
Der Knochen wurde geröntgt.
Bei der Beugung des Verbs röntgen wird kein e eingeschoben, wenn der Verbstamm von t oder s gefolgt wird. Also:
du röntgst
er/sie/es röntgt
er röntgte
geröntgt
Siehe auch Canoonet.
So viel zur Schreibung, die einfach der allgemeinen Regel folgt: Man hängt die Endungen direkt an den Verbstamm röntg-. Schwieriger wird es bei der Aussprache. Während einem bei Formen wie röntgt und geröntgt das /ntkt/ am Wortende mit etwas Mühe noch einigermaßen gelingen will, weigert sich mein Artikulationsapparat entschieden, die Wortform röntgst nach der „offiziellen“ Aussprache auf /ntkst/ enden zu lassen. Nur mit äußerster Konzentration und nicht allzu trockenem Mund gelingt es mir beim dritten Anlauf, diese fünf Konsonanten nacheinander auszusprechen.
Es ist deshalb kein Wunder, dass bei der Aussprache oft „geschummelt“ wird. Statt /geröntkt/ sagt man je nach Region zum Beispiel /geröncht/ oder /gerönkt/ und statt /röntkst/ hört man /rönchst/ oder /rönkst/. Die Aussprache /geröntget/, die die Schreibung geröntget rechtfertigen würde, kenne ich übrigens nicht.
Wenn man dieses Verb also nach der Standardaussprache beugen will, bleibt einem nur der Trost, dass man mit etwas Mühe und Konzentration geröntgt gerade noch schaffen kann und dass die Form du röntgst nur selten vorkommt. Nur wenige duzen den Röntgenassistenten oder die Röntgenärztin, wenn es ums Röntgen geht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Wobei ich mir auf Anhieb einen Dialog im Pausenraum einer Röntgenpraxis vorstellen kann – so oder ähnlich:
A: Du röntgst!
B: Nein, ich will röntgen.
A: Sie soll jetzt mal röntgen. Du hast hast vorhin geröntgt.
B: Dann röntgst Du jetzt und später röntgt jemand anderes.
C: o.k., ich röntge.
Wir sehen da wohl einer strahlenden Zukunft entgegen.
Viele Grüße
Im Entwurf des Beitrags stand: „Niemand duzt …“ Das habe ich in „Nur wenige duzen …“ geändert; wie man am oben stehenden amüsanten Dialog sieht, nicht ganz zu Unrecht. Neben den Kollegen und Kolleginnen des Röntgenpersonals gehören auch eventuell zu röntgende Familienmitglieder und Freunde sowie unhöfliche oder sich sehr ungezwungen ausdrückende Patienten zu den wenigen, die tatsächlich im echten Leben mit der Aussprache der Wortform röntgst konfrontiert werden könnten.
@it_scripter:
sagt man dann aber nicht eher „machst du das röntgen?“ „och nö, geh du mal“. „aber ich hab das _ schon so oft gemacht!“ „aber ich trink gerade lecker kaffee, ich will nicht röntgen“ „woah, na gut, dann geh ich halt und mach das röntgen. aber die mrt machst du!“ – oder sagt man auch: „magentresonanztomographierst du sie“? 😉
Bin ich froh, daß ich so selten zum Arzt muß.
Mir genügt es schon, wenn ich einen schwemütigen Freund fragen muß: „Was seufzst Du so?“ Ich habe es schon mit „seufzest“ probiert, aber das klingt ein bißchen Old School und heitert ihn auch nicht auf.
Eine weitere beliebte Variante könnte sein: Tust du heute röntgen? Es gibt offenbar verschiedene Methoden, schwierige Wortformen zu umgehen.
Weniger notwendig ist dies bei seufzen, denn dort ist die Aussprache /ftst/ auch in der Schrift standardisiert. Nach einem z sagt und schreibt man das s der Endung nicht mehr: du seufzt (ebenso z. B.: du heizt, du schwitzt; sehen Sie hier und hier). Wir kommen also bei du seufzt auf „nur“ vier gesprochene und drei geschriebene aufeinanderfolgende Konsonanten.
Die Form du seufzest macht tatsächlich einen so schön altmodischen Eindruck, dass die Frage „Warum seufzest du?“ irgendwie viel besorgter klingt als „Warum seufzt du?“ Die Form seufzest steht im modernen Standarddeutsch aber (leider) nicht zur Verfügung.
Ich als Österreich würde gerade bei den unaussprechlicheren Formen immer das Wort „röntgenisieren“ verwenden. „Röntgenisierst“ finde ich leichter aussprechbar.
http://www.ostarrichi.org/begriff-13877-at-r%C3%B6ntgenisieren.html
Ist das Wort in Deutschland völlig unbekannt?
Mit Hilfe des Verbs röntgenisieren kann man die beinah unaussprechbaren Formen tatsächlich in einfacher Weise umgehen. Diese Lösung steht aber eigentlich nur in Österreich zur Verfügung, denn in Deutschland und der Schweiz wird diese Variante von röntgen tatsächlich nicht verwendet. Einen ähnlichen Fall gibt es übrigens auch im schweizerischen Standarddeutsch: In der Schweiz parkiert man sein Auto, während es im restlichen Sprachgebiet geparkt wird.
Ich sehe das Problem nicht. Ich habe schon immer „Du rönchst“ gesagt. Ich rönche, Du rönchst, er röncht, usw. Wer natürlich vom Korrektheitswahn befallen meint, er müsse unbedingt exakt nach der Schrift sprechen und evtl. auch von Friedrich Niet-z-sche sprechen und nach Z-schopau oder Bernkastel-Küüs fahren, der soll sich eben die Zunge verknoten. Um sie wieder freizukriegen empfehle ich als Entspannungsübung einfach zehn mal „Friedrich Nietsche röncht in Tschopau“ zu sagen. Und schon klappts wieder mit der Aussprache.
Das Problem gibt es ja auch nur dann, wenn man sich bei röntgen an die Standardaussprache halten will. Das tun sehr, sehr viele nicht – und dagegen habe ich persönlich auch gar nichts einzuwenden. Wenn man den Beitrag liest, merkt man das vielleicht sogar.
Ihr Beispiel Bernkastel-Kues zeigt übrigens genau den umgekehrten Fall auf: Die „offizielle“ Aussprache richtet sich NICHT nach dem, was das Schriftbild auf den ersten Blick vermuten lässt. Während man röntgst standardsprachlich so aussprechen soll, wie es geschrieben wird, darf man das bei zum Beispiel Kues, Raesfeld und Soest gerade nicht tun. (Für Leser und Leserinnen, die diese Orte nicht kennen: Man spricht die Namen nicht mit ü, ä oder ö, sondern einem langen u, a bzw. o aus).
Nun ist -gen aber eine veraltete Schreibweise von -chen:
Die Fürstin stzt im dunklen Wald
Aufmerksam wie ein Mäusgen
Und mahlt den holden Auffenthalt
Mit Hülffe ihres Kräusgen
„Röntchen“ wäre also vielleicht gar nicht so falsch, genauso wie der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin Diepgen onomastisch korrekt „Diebchen“ genannt wurde. Fragt sich nur, was ist ein Rönt?
Klein-Rönt (Röntchen) und Rönt Senior.
man könnte auch sagen:
Wen röntgt Ktesias? (antiker griechischer Arzt)
oder: der ehemalige Präsident der Elfenbeinküste lässt sich röntgen, sagt der Arzt zum Kollegen:
Du röntgst Gbagbo!