Ich kann nun aus eigener Erfahrung sagen, dass Madeira eine Reise wert ist. Man kann dort ausgezeichnet wandern, Natur und Berglandschaften bewundern, über kurvige Straßen gemächlich von einer eindrucksvollen Aussicht zur nächsten fahren, und dies bei angenehmen 20 bis 25 Grad. Die Insel ist grün, grüner, am grünsten und trägt den Beinamen „Blumeninsel“ ganz zu Recht: Wo man auch hinschaut, überall blüht etwas. Dank Fisch, den man auf einer Insel natürlich überall bestellen kann, und dank lokalem Wein oder vom portugiesischen Festland importiertem jungem vinho verde hat die Gastronomie auch für Liebhaber und Liebhaberinnen nicht allzu deftiger Küche vieles zu bieten. Nur denjenigen, für die breite Sandstrände und immerwährender Sonnenschein unverzichtbare Bestandteile eines gelungenen Urlaubs sind, würde ich ein anderes Reiseziel empfehlen.
Bevor der Verdacht aufkommt, dass ich auf der Lohnliste des madeirischen Fremdenverkehrsamtes stehe, folgt nun doch noch etwas eher Sprachliches. In einem halb englisch, halb portugiesisch geführten Gespräch erfuhr ich, dass die portugiesischen Schüler (Madeira gehört zu Portugal) nach den Sommerferien die neue, reformierte portugiesische Rechtschreibung lernen und verwenden müssen. Beim Thema Rechtschreibreform wurde ich natürlich neugierig.
Die Details werde ich Ihnen hier ersparen. Es geht bei dieser Reform vor allem darum, die Rechtschreibung in den verschiedenen lusophonen Ländern möglichst zu vereinheitlichen. (Das Adjektiv lusophon ist ein Fachausdruck für portugiesischsprachig.) Die größten Unterschiede gibt es dabei zwischen einerseits dem brasilianischen Portugiesisch und andererseits dem Portugiesisch in Portugal und anderen Ländern.
Eine Rechtschreibreform ohne Proteste gibt es natürlich nicht. So fand unser madeirischer Gesprächspartner es nicht „gerecht“, dass in Portugal mehr Wörter an die brasilianische Schreibung angepasst werden als umgekehrt. In Brasilien sind ca. 0,5 % des Wortschatzes betroffen, in Portugal und den anderen portugiesischsprachigen Ländern ca. 1,6 %. Das hat damit zu tun, dass nach der Reform viele nicht mehr ausgesprochene Konsonanten weggelassen werden (z. B. correcto wird correto). Das tut man in Brasilien schon länger.
Uneinigkeit gibt es bei Rechtschreibreformen immer. Interessant finde ich hier aber vor allem etwas anderes. Die Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung dauerte lange und verlief nicht ganz ohne Holpern und Stolpern. In der Lusophonie geht das nicht anders: Der Beschluss, eine Reform durchzuführen, wurde von den folgenden Ländern (außer Osttimor) am 16. Dezember 1990 gemeinsam gefasst. Zu einer einheitlichen Einführung ist es aber nicht gekommen:
- Angola: voraussichtliche Einführung im März 2013
- Brasilien: Übergangsphase vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012
- Guinea-Bissau: Reform angenommen, kein Einführungsdatum festgelegt
- Kap Verde: Übergangsphase vom 1. Oktober 2009 bis Oktober 2019
- Mosambik: kein Beschluss vor Beendigung einer (2008 begonnenen) „technischen Evaluation“
- Portugal: Übergangphase vom 13. Mai 2009 bis 13. Mai 2015; Einführung an Schulen im Schuljahr 2011/2012, im öffentlichen Dienst am 1. Januar 2012
- Osttimor: Reform angenommen, kein Einführungsdatum festgelegt
- São Tomé und Príncipe: Reform angenommen, kein Einführungsdatum festgelegt
„Wir“ sind also nicht die einzigen, denen so etwas nicht ganz harmonisch und hindernisfrei gelingt. So viel zum Thema Reformen und deren Einführung. Das war sozusagen mein Souvenir aus dem portugiesischsprachigen Madeira. Ab morgen geht es dann wieder um die deutsche Sprache und Rechtschreibung.
Ein Gedanke zu „Madeira und die Rechtschreibreform“
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