Überraschen überraschend einfach

Frage

Viele Wörter im Deutschen lassen sich zerlegen und offenbaren dadurch eine Bedeutung, die einem so nicht bewusst war. Heute bin ich im gleichen Sinne über das Wort „überraschen“ gestolpert. Nun frage ich mich, gibt oder gab es das Wort „raschen“ und wenn ja, was bedeutet es?

Antwort

Guten Tag L.,

das Wort überraschen gehört zu den Wörtern, die so selbstständig, selbstverständlich und selbstbewusst in unserem Wortschatz auftreten, dass man sich kaum je die Frage stellt, wie sie eigentlich zustande gekommen sind. Mir war der Zusammenhang zwischen der Form über+rasch+en und der Bedeutung überraschen jedenfalls auch nicht klar.

Woher kommt also überraschen? Auch wenn es so einfach klingt, dass man es kaum glauben mag: überraschen ist von rasch abgeleitet. Das Verb hat also nichts mit rascheln zu tun. Es bedeutet nicht etwas für jemanden tun, ohne es durch Rascheln zu verraten oder so laut rascheln, dass die anderen etwas nicht bemerken. Es ist auch keine durch Präfixaustausch und Umstellung von a und r dezent verhüllte Variante des eher vulgären Ausdrucks verarschen. So kompliziert ist es nicht. Das Verb überraschen ist einfach eine direkte Ableitung des Adjektivs rasch = schnell. Es bedeutete ursprünglich rascher als jemand sein oder kriegerischer rasch über jemanden herfallen, jemanden rasch überfallen.

Die heutige Bedeutung ist glücklicherweise meistens in einem abgeschwächten, übertragenen Sinne zu verstehen. Man muss also bei zum Beispiel einer Geburtstagsüberraschung in der Regel nicht befürchten, eventueller teurer Geschenke wegen an seinem Geburtstag rasch überfallen zu werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

3 Gedanken zu „Überraschen überraschend einfach“

  1. Von CanooNet wird das Verb “überraschen” als “kombinierte Präfigierung und Konversion” analysiert. Ist das nicht widersprüchlich, da bei der Konversion per definitionem nichts drangehängt wird, also weder präfigiert noch suffigiert? Dann würde ich es eher als Adjektiv-zu-Verb-Präfigierung ansehen.

    Nebenbei: Die “kombinierte Prä- und Suffigierung” ist mir als “Zirkumfigierung” bekannt, sehen Sie zum Beispiel:

    http://de.wiktionary.org/wiki/Zirkumfix

    http://hypermedia.ids-mannheim.de/pls/public/sysgram.ansicht?v_typ=d&v_id=491&v_wort=zirkumfix

  2. Korrektur: Beim Lesen des Grammis-Artikels ist mir klar geworden, dass Zirkumfixe als einzelne Einheiten betrachtet werden und somit von Präfix und Suffix kombiniert abzugrenzen sind. Die letztere Bezeichnung ist also richtig.

  3. Ob man die Bildung von überraschen oder z. B. überteuern Adjektiv-zu-Verb-Derivation oder gleichzeitige Präfigierung und Konversion nennt, ist eine Frage der Definition. Sehr vereinfacht ausgedrückt kann man Folgendes sagen:

    Nennt man es Adjektiv-zu-Verb-Derivation, verletzt man die Regel, dass das rechts stehende Element die Wortart bestimmt, wie dies bei Komposition, Suffigierung und “normaler” Präfigierung der Fall ist. Bei überteuern und überraschen muss dann also ausnahmsweise das Präfix über als der wortartbestimmende Kern bezeichnet werden.

    Nennt man diese Wortbildungen Präfigierung und Konversion, verstößt man entweder gegen die Regel, dass bei Konversion “nichts drangehängt wird”, oder (falls sie gilt) gegen die Regel, dass eine Ableitung immer in einem einzigen Schritt erfolgen muss. Wir nennen diese Wortbildungen deshalb ausnahmsweise mit Präfigierung kombinierte Konversion.

    Beide Erklärungen müssen also in irgendeiner Weise einen Ausnahmeregelung definieren.

    Auch bei der Frage nach Zirkumfix vs. Kombination von Präfix und Suffix geht es um eine ganz ähnliche Definitionsfrage. Zirkumfix wird oft verwendet, um die gleichzeitige Prä- und Suffigierung besser von der in zwei Schritten erfolgenden Ableitung unterscheiden zu können.

    Ableitung mit Zirkumfix resp. gleichzeitige Prä- und Suffigierung:
    be-ig + Nachricht = benachrichtigen

    Suffigierung und Präfigierung in zwei Schritten:
    Schaden + ig = schädigen
    be + schädigen = beschädigen

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