Wenn man am Sonntagmorgen bei Mü(e)sli mit Joghurt in einem Artikel das Wort Joga liest, fragt man sich aus Versehen plötzlich, ob man nicht wieder einmal etwas Gesundes für Leib uns Seele tun sollte und ob eventuell Joga eine geeignete Lösung dafür sein könnte. Wenn man dann wie ich keine Lust hat, sich schon mit solch schwerwiegenden Fragen zu beschäftigen, bringt die Berufsdeformation die Rettung: Joghurt – Joga, beides ist gesund und klingt sehr ähnlich. Es gibt hier bestimmt einen wortgeschichtlichen Zusammenhang!
Bevor die Spannung nun ins Unerträgliche steigt, sei es gleich verraten: Außer der lautlichen Ähnlichkeit gibt es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Wörtern. Sie kommen sogar aus zwei verschiedenen Sprachfamilien.
Das Wort Joghurt (auch Jogurt geschrieben) haben wir aus dem Türkischen übernommen. Dort bedeutet yoğurt „dicke Milch“ und eben „Joghurt“. Es gehört in die gleiche Wortfamilie wie yoğun „dicht, dick, kompakt“ und yoğmak „gerinnen, dick werden“.
Das Türkische gehört zu den altaischen Sprachen. Das Deutsche hingegen gehört zu den indoeuropäischen Sprachen, und das Wort Joga (auch Yoga geschrieben) hat indoeuropäische Wurzeln. Es ist ein altindisches Wort, das ursprünglich die Bedeutung „Verbindung, Vereinigung“ hatte und mit einem ganz anderen Wort als Joghurt verwandt ist, das man auch heute noch kennt. Über ein altindisches Verb, das „verbinden, anschirren“ bedeutet, kann es mit dem Vorfahren des Wortes Joch in Verbindung gebracht werden.
Feinheiten und philosophischen Hintergründe außer Acht lassend könnte man also den folgenden Schluss ziehen: Joga – Joch, Entspannung durch Anspannung. Ich werde es heute jedenfalls beim Joghurt bleiben lassen.
Oh, dann habe ich aber noch eine Frage dazu!
Denn warum wird denn bloß Joghurt mit H hinter dem G geschrieben? In der türkischen Originalform scheint das ja schließlich nicht der Fall zu sein. Dann müsste man es auch Jog-churt sprechen, so wie A(c)hmed.
Im Deutschen gibt es meines Wissens nur dann die Kombination “gh”, wenn das Wort aus dem Italienischen entlehnt ist, so wie in Spaghetti. Das ist hier aber nicht der Fall, und ergibt auch nur in den Fällen Sinn, in denen der folgende Vokal ein E oder I ist, damit man das G nicht als “dsch” ausspricht.
Die naheliegende Vermutung, es hätte etwas mit der griechischen Sprache zu tun – immerhin lebte bis Anfang des letzten Jahrhunderts eine große griechische Minderheit in der Türkei – kommt auch nicht so hin, denn da gibt es das H nur in Kombination als “th” oder “rh”. Auch die ältere deutsche Form, den Vokal zu dehnen, indem das H davor geschrieben wird, gibt es nur in Kombination als “th”, so wie in Thron.
Daher bin ich absolut verwirrt, warum der türkische Joghurt mit italienischem “gh” geschrieben wird.
Das h lässt sich wie folgt erklären: Das türkische Wort yoğurt wird nicht mit einem g, sondern mit einem ğ geschrieben. Dieses ğ wird auch weiches g genannt. Es wird meistens nicht ausgesprochen, sondern gibt an, dass der vorhergehende Vokal lang gesprochen wird. Es ist also mit dem deutschen Dehnungs-h vergleichbar. Der türkische Buchstabe ğ wird hier im Deutschen durch gh wiedergegeben, auch wenn wir ihn wie ein gewöhnliches g aussprechen. (Letzteres ist der Grund dafür, dass man nach der Rechtschreibreform Jogurt neu auch ohne h schreiben kann, wie dies schon voher bei Aga [von türk.: ağa] der Fall war.)
Das h in Joghurt hat also nichts mit italienischen Rechtschreibregeln oder der Wiedergabe griechischer Buchstaben zu tun. Es gibt auch keinen Grund, dieses h ähnlich wie ein deutsches ch auszusprechen. Man tut dies zum Beispiel bei arabischen Namen wie Ahmed und Mehmed. ABER: Türkisch ist kein Arabisch. Die beiden Sprachen gehören nicht einmal derselben Sprachfamilie an.
Hallo Dr. Bopp, danke für die Antwort! Das wusste ich noch nicht.
Bei den türkischen Namen muss ich nochmal meinen Freund Ahmet fragen: Der besteht nämlich darauf, dass er sich Achmet ausspricht, und sein Sohn Mehmet eben Mechmet. Er sagt, dass sei gerade der Unterschied zum arabischen. In der Wikipedia finde ich aber gerade die gegenteilige Aussage – also frage ich ihn lieber nochmal selbst.
Bei den Namen Ahmet und Mehmet war ich wohl etwas zu voreilig streng, denn diese Namen kommen zwar aus dem Arabischen, sind aber in der Türkei geläufig. Wie sie im Türkischen genau ausgesprochen werden, weiß ich leider nicht. Die korrekte Aussprache der arabischen Buchstaben, die bei deutscher Transkription mit h wiedergegeben werden, scheint auch nicht ganz einfach zu beschreiben (und zu realisieren) zu sein, vor allem wenn noch regionale Unterschiede hinzukommen. Da dies ein Blog zur deutschen Sprache ist, lehne ich mich nun zurück, berufe mich im Weiteren auf Unwissenheit und freue mich, wenn jemand Wissenswertes zu diesem Thema beitragen kann.