»Es waren Hirten aus derselben Gegend auf dem Felde und sie hüteten des Nachts ihre Herde …« Für die Weihnachtsgeschichte ist es allerdings noch ein bisschen zu früh. Es geht hier dann auch nicht um Hirten, Engel, Ställe, Esel, Ochsen, Krippen und den Heiland. Herrn M.s Frage richtet sich also nicht an meine Bibelkenntnisse, sondern auf die bei genauerer Betrachtung recht seltsame Wendung des Nachts.
Frage
Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Ausdruck „des Nachts“? Ist das Wort „Nacht“ einmal männlich gewesen oder woher stammt diese Redewendung? Logisch kann ich das nicht nachvollziehen.
Antwort
Sehr geehrter Herr M.,
soweit ich weiß, war Nacht auch früher nicht männlich. Das Wortgeschlecht spielt aber trotzdem eine Rolle. Die Entstehung dieser grammatisch sehr ungewöhnlichen Wendung (der Genitiv müsste ja der Nacht lauten) hat damit zu tun, dass Nacht die einzige weibliche Tageszeitangabe ist. Die Wendungen des Nachts und eines Nachts sind Analogiebildungen zu des Morgens, des Mittags, des Abends bzw. eines Morgens, eines Mittags, eines Abends, eines Tages. Das weibliche Wort Nacht hat sich bei dieser Ausdrucksweise also der Übermacht männlicher Tageszeitangaben beugen müssen (typisch!). „Logisch“ gesehen und nach den Regeln der deutschen Grammatik müsste man die Wendungen des Nachts und eines Nachts also eigentlich als falsch bezeichnen. Sie gehören aber trotzdem zur Standardsprache – sogar zur gehobenen!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
PS: Zur Groß- und Kleinschreibung bei eines Nachts und nachts siehe hier. Zur Frage, weshalb hier überhaupt der Genitiv steht, siehe hier.
Ein Gedanke zu „Sie hüteten des Nachts ihre Herde“
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