Bei zuen Schuhen und aufen Fenstern ging es Anfang dieser Woche um ein umgangssprachliches Phänomen. Auch heute bleiben wir bei der Umgangssprache, allerdings – wie der Titel schon zeigt – bei einer etwas vulgäreren Ausdrucksweise.
Frage
Man findet oft in Texten die Verbindung von „Scheiß“ mit einem Substantiv: „Scheiß-Maut“, „Scheiß-Aufgabe“ usw. Wie schreibt man das richtig? Es ist ja eigentlich nicht richtig im Sinne von „Scheiße“ gemeint, wie z.B. bei „Scheißhaus“, sondern mehr als Adjektiv („die Maut ist scheiße“). Ist es dann besser, wie oben mit Bindestrich zu schreiben („Scheiß-Haus“ ist etwas anderes „als Scheißhaus”), oder nimmt man das Adjektiv (ohne e: „scheiß Maut“)?
Ich schreibe so etwas nicht ;-), aber man kann es oft lesen und ich stolpere immer darüber.
Antwort
Sehr geehrte Frau S.,
man schreibt solche Ausdrücke in einem Wort:
Scheißmaut, Scheißaufgaben, Scheißhaus, Scheißschule
scheißfaul, scheißblöd, scheißgemütlich
Der Bindestrich dient dazu, unübersichtliche oder missverständliche Zusammensetzungen deutlicher zu gestalten. Er hat nicht die Funktion, Unterschiede zwischen wörtlicher (Scheißhaus = Toilette) und übertragener (Scheißhaus = miserables Haus) Bedeutung anzugeben.
Man schreibt auch (noch) nicht getrennt. Wenn scheiß ein vorangestelltes unveränderliches Adjektiv wäre, müsste anders betont werden. Nun liegt die Hauptbetonung „standardsprachlich“ auf Scheiß-:
Schéíßschule, Schéíßhaus, Schéíßmaut
wie zum Beispiel:
Wéíßkohl, Dúmmkopf, Grátisanzeige
Erst wenn scheiß regelmäßig auch unbetont vor einem Substantiv steht, kann man es vielleicht einmal auch getrennt schreiben:
diese scheiß Schúle
eine scheiß Àngst
Eine solche Entwicklung hat die Vorsilbe super- hinter sich. In der Umgangssprache hat sie sich zu einem eigenständigen, unveränderlichen Adjektiv entwickelt. Dies sieht (oder besser: hört) man an der Betonung: super kann auch unbetont vor einem Nomen stehen:
ein Súperangebot – ein super Àngebot
ein Súperteam – ein super Téám
Dabei gibt es nach meinem Sprachgefühl oft einen leichten Bedeutungsunterschied zwischen zum Beispiel Superangebot und super Angebot. Diese Entwicklung hat scheiß (vorläufig?) noch nicht vollendet. Man schreibt hier deshalb standardsprachlich noch besser zusammen, wenn man die Umgangsprache zitiert.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Ich glaube, dass der Artikel inhaltlich eher deutschlandlastig ist – zumindest in Wien höre (und sage) ich regelmäßig „scheiß“ mit Betonung auf dem folgenden Wort.
So ein sch…önes Thema!
Ich lebe in Norddeutschland und kann für mich ergänzen, dass es jedenfalls hier die scheiß Angst auch in Abgrenzung zus Scheißangst gibt.
Aber natürlich sage ich sowas nicht! 🙂
@Nightstallion: Also ich lebe in Niedersachsen (Deutschland). Hier werden einige der oben genannten Wendungen meistens auf der ersten Silbe betont, andere hingegen auf der zweiten.
Sofern es sich um eine Toilette handelt, habe ich das Wort “Scheißhaus” nur mit Betonung auf der ersten Silbe gehört. “Scheiß Schule” hingegen habe ich noch nie mit Betonung auf der ersten Silbe gehört. Nach meinem Sprachgefühl ergäbe “Scheißschule” mit Betonung auf der ersten Silbe nur dann einen Sinn, wenn es sich um eine Schule handelte, in der man lernt, sein Geschäft zu verrichten.
Letztlich sollte man sich von solchen Ausdrücken ohnehin fernhalten.
Ich kann mich meinen Vorrednern anschließen, auch für mich haben Zusammensetzungen mit “Scheiß-” in der “übertragenen” Bedeutung die Betonung auf dem modifizierten Substantiv.
Ja, „Schéißhaus“ heißt für mich auch ausschließlich Klo, während „Scheißháus“ eben ein scheiß Haus ist. 😉
Auch ich muß mich da leider meinen Vorkommentatoren anschließen, eine beschissene Schule, die ich also scheiße finde, aber nicht wörtlich als Scheiße, ist als “scheiß Schule” für mich zwar auf “scheiß” betont. Aber sowenig, wie ich es eine Tolleschule nenne, eben keine Scheißschule.
Solange, nun, kein “potty training” darin stattfindet.
Die Unterscheidug zwischen scheiß und Scheiß- hat nicht viel mit der Unterscheidung zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung zu tun. Ich nehme an, dass die meisten damit einverstanden sind, dass man zum Beispiel Scheißkerl und Scheißding auf dem ersten Teil betont (oder zumindest betonen kann), auch wenn damit nicht ein Kerl, der seinen Darm entleert, oder ein aus Kot bestehendes Ding gemeint ist, sondern ein beschissener Kerl und ein nichts taugendes Ding. Diese beiden Wörter werden jedenfalls in zum Beispiel den Dudenwörterbüchern zusammengeschrieben und mit Betonung auf dem Erstglied aufgeführt (wie übrigens auch Scheißangst, Scheißkram, Scheißladen und Scheißwetter).
Aus dem Artikel geht wohl nicht deutlich genug hervor, dass es scheiß als mehr oder weniger unbetontes Adjektiv neben Scheiß- als betonter „Vorsilbe“ gibt. Diese Entwicklung ist nur nicht so weit fortgeschritten wie bei super und Super-. In welchem Maße diese Aussprachevarianten in welchen Regionen vorkommen, vermag ich leider nicht zu sagen. Das müssten genauere Nachforschungen ergeben. Ich kann nur sagen, dass die Entwicklung jedenfalls noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass sie bereits in Wörterbüchern u. Ä. verzeichnet würde. Dies im Gegensatz zu Super-/super. Deshalb empfehle ich, in der Standardsprache (vorläufig noch) zusammenzuschreiben, wenn man diese Art Umgangssprache wiedergibt.
Neben ‘scheiß’ und ‘super’ nimmt übrigens auch ‘riesen’ diesen Weg des Sprachwandels ein. Noch nicht allzu häufig, aber dennoch gelegentlich zu finden, ist das ‘riesen Rad’ und daneben prangt das Bild einer riesen Jahrmarktsattraktion 😉 Sehr beliebt sind übrigens auch ‘riesen Dinger’ oder der ‘riesen Ärger’.
Warum heißt es scheiß Tür und die TÜr ist scheiße (warum wird das ,,e” hier mitgenommen)?
Weil das vorangestellte scheiß anders als das prädikative scheiße nicht direkt vom Substantiv Scheiße kommt, sondern von der Form Scheiß- in Zusammensetzungen wie Scheißhaus und Scheißschule.