Welche Rolle spielt der Relativsatz?

In letzter Zeit scheint die Bestimmung der Satzglieder aktuell zu sein. Es werden häufiger als sonst Fragen zu diesem Thema gestellt. Ich nehme allerdings an, dass es sich um einen Zufall handelt. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass viele für 2012 den guten Vorsatz gefasst haben, ihre Kenntnisse der deutschen Satzanalyse aufzupolieren. Ein besonderes Knacknüsschen ist offenbar der Relativsatz:

Frage

„Alle, die sich interessieren, können einen Museumsführer kaufen.“ Stimmt es, dass der Relativsatz ein Subjektsatz ist, zu dem das Artikelwort “alle” gehört? Oder ist der Relativsatz ein Attributsatz?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

der Relativsatz in Ihrem Beispiel

Alle, die sich interessieren, können einen Museumsführer kaufen.

ist kein Subjektsatz. Ein Subjektsatz ist ein Nebensatz, der im Gesamtsatz die Funktion des Subjekts hat. Beispiele sind die folgenden Nebensätze:

Dass du gekommen bist, freut mich.
Wann wir ankommen werden, ist ungewiss.

– Wer oder was freut mich?
– Dass du gekommen bist, freut mich.

Wer oder was ist ungewiss?
Wann wir ankommen, ist ungewiss.

Mehr zum Subjektsatz finden Sie hier.

Nebensätze erfüllen in der Regel eine bestimmte Funktion im Hauptsatz. Was ist nun die Funktion des Relativsatzes die sich interessieren? Es ist kein Subjektsatz, denn der Kern der Antwort auf die Frage, wer oder was einen Museumsführer kaufen kann, ist das Pronomen* alle:

Wer oder was kann einen Museumsführer kaufen?
Alle können einen Museumsführer kaufen.

Der Relativsatz bestimmt genauer, was mit alle gemeint ist, d. h., um „welche alle“ es sich handelt: alle, die sich interessieren:

Wer oder was kann einen Museumsführer kaufen?
Alle, die sich interessieren, können einen Museumsführer kaufen.

Das Subjekt des Gesamtsatzes ist also alle, die sich interessieren. Es besteht aus dem Kern alle und einem sogenannten Attribut, das ihn genauer bestimmt:  die sich interessieren. Man nennt den Relativsatz nach dieser Funktion einen Attributsatz.

Attributsätze kommen nicht nur beim Subjekt vor:

Ich habe die Frage, die Sie gestellt haben, beantwortet.

Die Wortgruppe die Frage, die Sie gestellt haben ist das Akkusativobjekt. Dabei ist der Relativsatz die Sie gestellt haben ein Attribut zum Kern Frage.

Wen oder was habe ich beantwortet?
Die Frage, die Sie gestellt haben, habe ich beantwortet. [hoffe ich zumindest]

Ein weiteres Beispiel:

Sie wohnt in dem Haus, das abgerissen werden soll.

Hier ist der Relativsatz (das abgerissen werden soll) Attribut zu einem Nomen (Haus) in einer Adverbialbestimmung des Ortes:

– Worin/wo wohnt sie?
– Sie wohnt in dem Haus, das abgerissen werden soll.

Ich weiß nicht, welchen konkreten Nutzen dieses Wissen haben könnte, wenn man sich nicht gerade mit der Bestimmung von Satzgliedern beschäftigt. Falls Sie dies aber tun wollen oder müssen, wissen Sie nun, dass Relativsätze im Gesamtsatz in der Regel die Funktion eines Attributs haben. Es sind Attributsätze. Mehr dazu finden Sie hier und hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

alle wird hier als Pronomen, nicht als Artikelwort verwendet.

3 Gedanken zu „Welche Rolle spielt der Relativsatz?“

  1. Mir fällt bei den Beispielsätzen gerade auf, dass „die sich interessieren“ für mich zumindest markiert, vielleicht sogar ungrammatisch ist; in meinem Sprachgebrauch ist „sich interessieren“ fast zwingend mit einer für-PP zu verwenden.

  2. Es heißt tatsächlich sich für jemanden/etwas interessieren und an jemandem/einer Sache interessiert sein. Die PP-losen Formulierungen die sich interessieren und die interessiert sind im Sinne von Interessenten, Interessierte klingen für mich in diesem Zusammenhang trotzdem ganz passabel. Ob sie umgangssprachlich oder gar ungrammatisch sind, müssten deshalb andere entscheiden.

  3. Mh, die Nomina gehen für mich auf jeden Fall, „die interessiert sind“ geht für mich auch, nur gegen „die sich interessieren“ sträubt sich mein Sprachgefühl.

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