Frage
Wie muss es richtig heißen: „Ich kann lesen, seit ich 5 Jahre alt bin“ oder „seit ich 5 Jahre als war“? Oder sage ich besser: „Ich kann lesen, seit ich 5 Jahre geworden bin/geworden war“? Jetzt bin ich schon beträchtlich älter als 5.
Antwort
Guten Tag M.,
es heißt üblicherweise:
Ich kann lesen, seit ich fünf Jahre alt bin.
Das ist die am häufigsten vorkommende, gebräuchliche Ausdrucksweise, auch wenn sie bei genauerem Hinschauen und allzu „logischem“ Interpretieren aus dem Munde von Fünfundwanzig- oder Fünfundfünfzigjährigen etwas seltsam klingen mag. Man ist ja spätestens, wenn man sechs Jahre alt geworden ist, nicht mehr fünf.
Eine andere, aber selten verwendet Formulierung ist:
Ich kann lesen, seit ich fünf Jahre alt geworden bin.
Auch hier könnte bei genauerem Betrachten stören, dass die meisten, die dies sagen, schon lange nicht mehr fünf Jahre alt sind.
Dennoch sollte man die Formulierungen
Ich kann lesen, seit ich fünf Jahre alt war.
Ich kann lesen, seit ich fünf Jahre alt geworden war.
nicht verwenden. Man kann nämlich im Deutschen das Präteritum (war) besser nicht mit dem Präsens (kann) kombinieren. Vgl.
nicht: Es kommen viele neue Kunden, seit wir den Laden umbauten.
sondern: Es kommen viele neue Kunden, seit wir den Laden umgebaut haben.
oder: Es kommen viele neue Kunden, seit der Laden umgebaut ist.
Möglich wäre seit ich fünf Jahre alt war in einer Formulierung wie dieser:
Ich konnte lesen, seit ich fünf Jahre alt war, als …
Die gebräuchlichste und in der Regel problemlos verstandene Formulierung ist hier also seit ich x Jahre alt bin:
Seit ich vierzig Jahre alt bin, brauche ich eine Lesebrille.
„Seit ich dreißig bin“, sagt die heute Neunundvierzigjährige, „hat mich das Publikum am Leben erhalten“.
Ich arbeite im Filmbereich, seit ich zwanzig bin.
Ich kann lesen, seit ich fünf Jahre alt bin.
Wenn Ihnen seit ich fünf Jahre alt bin trotz allem nicht gefallen will, können Sie auf die folgende Formulierung ausweichen:
Ich kann seit meinem sechsten Lebensjahr lesen.
Ob es hier das fünfte oder das sechste Lebensjahr heißen muss, ist dann wieder eine ganz andere Frage …
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Ich bin kein Muttersprachler, aber die letzte Möglichkeit gefällt mir am besten. 🙂
Als ebenfalls nicht deutscher Muttersprachlerin macht mir diese Formulierung immer Kopfzerbrechen. Genauso wie Marion bevorzuge ich die Variante mit dem x. Lebensjahr.
PS Bitte überlegt Euch doch mal eine andere Form van CAPTCHA. Diese sind echt kaum zu lesen ….
Bei „Ich kann lesen, seit ich fünf Jahre alt geworden bin.“ würde ich auch hineininterpretieren, dass das Lesenkönnen ziemlich genau am fünften geburtstag eingesetzt hat und nicht irgendwann im Laufe des Lebensjahres.
Die Formulierung seit ich fünf Jahre alt geworden bin kann tatsächlich das Bild des fünften Geburtstages aufrufen. Das ist wohl der Grund, weshalb sie in solchen Zusammenhängen nur selten vorkommt.
Unumstritten ist zweifellos seit meinem x-ten Lebensjahr. Für den Alltagsgebrauch klingt es aber in meinen Ohren etwas gar korrekt. Ich vermute übrigens, dass das informellere seit ich fünf Jahre alt bin für nicht Muttersprachige je nach Muttersprache leichter oder schwieriger zu akzeptieren ist. Es gibt zum Beispiel auf Französisch neben anderen auch genau diese Ausdrucksweise: Je sais lire depuis que j’ai cinq ans. Im Niederländischen hingegen sagt man: Ik kan sinds mijn fijfde lezen (Ich kann seit meinem fünften [Lebensjahr] lesen).
Hallo Dr. Bopp,
danke für die Reaktion. Eine kleine Anmerkung habe ich noch:
Korrekterweise heißt es im Niederländischen: Ik kan sinds mijn vijfde lezen („vijfde“ mit „v“ statt mit „f“).
Danke für den Hinweis! Das falsche f in vijfde ist wohl dem f in fünfte zuzuschreiben. Die Muttersprache kann einem also manchmal auch bei der Rechtschreibung in die Quere kommen.
Bei uns sagt man noch etwas salopper:
Ich kann lesen, seit ich fünf bin. Das ist zwar sprachlich vielleicht nicht ganz korrekt, drückt aber noch deutlicher aus, dass sich das nicht auf einen bestimmten Tag festlegen lässt. 🙂
Wie wärs mit „ich kann lesen, seit ich fünf gewesen bin“?
Ja, so geht es auch.