Frage
Bürgersteig! Ist diese Bezeichnung für „Gehweg“ heute noch standesgemäß? Während meines Studiums, wurde uns erklärt, diese Definition stamme aus Kaisers Zeiten! Um den Kaiser bei Besuchen, Paraden etc. besser sehen zu können, sollten die Bürger den höher gelegenen Teil der Straße (den Bürgersteig) benutzen! Warum nicht heute generell „Gehweg“?
Antwort
Sehr geehrter Herr B.
am Wort Bürgersteig gibt es eigentlich nicht so viel auszusetzen. Die Erklärung, die man Ihnen während des Studiums gegeben hat, scheint mir nicht wirklich zutreffend zu sein. Bürgersteige gab es schon vor des Kaisers Zeiten. Vielleicht war aber auch einfach allgemein ein Fürst gemeint oder wurden Bürgersteige erst unter kaiserlicher Herrschaft so genannt. Bürgersteige gab es allerdings auch dort, wo keine kaiserlichen oder sonstigen fürstlichen Paraden zu erwarten waren. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie außerdem häufiger Trottoir genannt. Eine andere überzeugende Erklärung muss ich Ihnen aber ehrlich gesagt auch schuldig bleiben. Ich konnte sie in keiner der mir zur Verfügung stehenden Quellen finden. So behauptet jemand, dass der Bürgersteig so heiße, weil nur die gute Bürgerschaft, nicht aber das gewöhnliche Volk ihn benutzen durfte. Bei dieser Erklärung ist die Benutzung des Bürgersteigs also nicht dem niedrigeren Stand, sondern umgekehrt den Höhergestellten vorbehalten.
Die genaue Herkunft des Wortes ist also ungeklärt oder einfach so unspektakulär, dass ich keine Informationen dazu finden konnte. Heute heißt der erhöhte Gehweg für Fußgänger jedenfalls so, ohne dass ein bestimmter sozialer Stand damit verbunden wäre. Ich finde also keinen Grund, weshalb man das Wort Bürgersteig nicht mehr verwenden sollte. (Man könnte sich höchstens Fragen, ob denn Fahrradfahrer, Motorradfahrer und Automobilisten nicht auch Bürger sind. Nicht alle Verkehrsteilnehmer auf Rädern sind schließlich ungehobelte Rüpel und auch unter den Fußgängern gibt es sich eher proletenhaft Benehmende.) Das Wort Bürgersteig ist allerdings nicht überall üblich und manche finden den Begriff etwas veraltet. Deshalb hört man oft eher Gehweg, Gehsteig (SO-Deutschland, Österreich) oder Trottoir (Schweiz).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Den Ausdruck Bürgersteig braucht man schon allein deswegen, weil sonst die Redewendung „…da werden abends die Bürgersteige hochgeklappt“ nicht mehr funktionieren würde. Da wären dann ja Großstädter, die sich in die Provinz verirrt haben, regelrecht sprachlos.
Augenzwinkernd
Christian
Nun, man mag von Tante <wiki als Quelle halten, was man mag – aber für einen ersten Exkurs ist es doch meist ein guter Anfang. Und sie sagt: " Ein Steig (niederdeutsch: Stieg) bezeichnet ursprünglich einen engen Weg über Anhöhen und Berge, der nicht von Fahrzeugen befahren werden kann." Warum nun also das ein Steig für Bürger ist, und so nicht für Autos und Fahrräder etc. ließe sich so ja mMn nachvollziehen.
Und was nun jeder Datengrundlage entbehrt, aber es war doch der Bürger, der kein Gafährt hatte, dem gegenüber der Noblesse ein Steig gewährt würde. Wo kämen wir denn dahin, wenn einem der Pöbel ständig vor den Karren rennt … 😉
Die Frage nach dem Steig habe ich mir gar nicht gestellt. Er kommt ja auch in zum Beispiel Bahnsteig, Fahrsteig, Flugsteig, Fußsteig, Gehsteig und Rollsteig vor. Man findet ihn mit Herkunftsangaben auch in DWDS, Grimm, Duden u. a. m. Dennoch Dank für die Erläuterung. Die eigentliche und immer noch nicht befriedigend geklärte Frage lautet, warum genau der Bürgersteig ein Steig für Bürger ist (oder sein soll). Auch Bürger waren früher nicht immer nur zu Fuß unterwegs und nicht alle Fußgänger waren Bürger.
Meine laienhafte Erklärung ist, dass früher die Bauernschaft auf ausgetrampelten Matschwegen herumlaufen musste, während die städtische Bürgerschaft den Luxus eines Bürgersteigs hatte. Bauern sah man da früher sicher selten, und Adlige ließen sich eh in Kutschen durch die Gegend ziehen.
Die Erklärung taugt nur dann was, wenn sie aus der Zeit vor der Industrialisierung kommen sollte.
Ich, ebenso laienhaft, könnte mir vorstellen, das Bürger hier einfach die Bewohner einer Stadt (“Burg”) meint und die Bürgersteige die Steige der Bürger, die ja Bergwanderwege weder hatten noch brauchten, waren.
Manchmal sollte man einfach nicht zu viel studieren … Es gibt z.B. auch heute noch den Buchhalter, obwohl dieser einerseits nicht ausschliesslich ein Buch hält und andererseits im Computerzeitalter eher vom “Computerhalter”(?) … geschrieben werden müsste – wenn schon, denn schon. Aber eben: nicht zu viel hinterfragen.
Ich wohne westlich von Darmstadt in einem Gebiet, das vor einiger Zeit noch von den Franzosen besetzt war. 50+ spricht dann auch gerne noch vom Trottoir, wird aber von allen jungen Mitbewohnern komisch angesehen.
a) Ich bin bei französisch nicht sehr bewandernt. Aber trotzten: Trottoir hängt möglicherweise mit trotter (traben, dahingehen) zusammen, das andererseits durch das deutsch “dahintrotten” ganz gut beschrieben wird. Also wäre Trottoir ja gar nicht so abwegig. (Ein eingedeutschtes “Trottweg” oder Trottsteig” würde eventuell falsche Assoziationen wecken.) :-))
) Mein Großvater (wäre jetzt allerdings schon 110+) hatte noch mit seinen Eltern per Sie und auf französisch zu parlieren. Das war in gehobenen Wiener Haushalten vor dem ersten Weltkrieg durchaus normal. Und eben in dieser Zeit des fin de siècle sind ja eine Fülle von frankophonen Ausdrücken bei uns eingebürgert (schon wieder …bürger…) worden: NebenTrottoir auch Salon, Friseur, Menagerie, Boudoir, Etablissement, va banque, Kotelette, Bourgeoisie (schon wieder …bürger…) usw. usf.
Bitte Tippfehler entschuldigen. Computer hat sich selbständig gemacht. *g*