Warum heißt die Gegenwart so?

Kinder stellen gute Fragen. Ich hatte mir die folgende Frage jedenfalls noch nie gestellt – und das als „Sprachler“!

Frage

Mein achtjähriger Sohn M[…] fragt, warum das Wort „Gegenwart“ so heißt? Woher kommt die Wortverbindung aus „gegen“ und „wart(en?)“ bzw. was hat diese mit der Wortbedeutung zu tun?

Antwort

Sehr geehrte Frau R., lieber M.,

das Wort Gegenwart ist ein altes Wort. Es ist mit einem Adjektiv verbunden, das gegewertec oder gegenwürtec hieß und gegenwärtig, anwesend bedeutete. Die wörtliche Bedeutung war gegenüber seiend. Es bezeichnete also dasjenige, das sich einem gegenüber befindet, das anwesend ist.

Den Wortteil gegen kann man somit als gegenüber verstehen. Der zweite Teil, wart, hat nichts mit dem Wort warten zu tun. Er ist mit -wärtig verwandt, das gewendet, gerichtet bedeutete. Man findet dieses wärt(ig) heute noch in zum Beispiel auswärts (nach außen gewendet), abwärts (hinab gerichtet), südwärts (nach Süden gerichtet) usw.

Als Bezeichnung für die Zeitform des Verbs kam Gegenwart erst im 18. Jahrhundert auf.

Von der früheren wörtlichen Bedeutung gegen(über) gerichtet, gegenüber seiend bis zur heutigen Bedeutung Jetztzeit hat das Wort Gegenwart also einen recht langen Weg zurückgelegt, den man aber – wenn man es einmal weiß – recht gut nachvollziehen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

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