Frage
Bekanntlich ist ja nach dem Spiel vor dem Spiel. Während man aber vor und nach dem Spiel den Dativ zu benutzen hat, ist während des Spiels der Genitiv angesagt […]. Wenn ich immer den richtigen Fall benutzen möchte, also „vor dem Spiel“, „während des Spiels“ und „nach dem Spiel“, darf ich dann sagen „vor, während und nach dem Spiel“? Oder fühlt sich der Genitiv da vernachlässigt? Gibt es dazu eine Regel? Und gilt diese Regel dann nur auf dem Platz oder auch außerhalb des Platzes? Oder sowohl auf dem als auch außerhalb des Platzes?
Antwort
Sehr geehrter Herr K.,
Die Grundregel sieht recht kompliziert aus:
Wenn
- mehr als eine Präposition vor einem Nomen (oder Pronomen) steht,
- die Präpositionen nicht den gleichen Fall fordern,
- das Nomen in den unterschiedlichen Fällen unterschiedliche Formen hat,
dann richtet sich das Nomen nach dem Fall der letzten Präposition.
Nach dieser allgemeinen Regel kann man also sagen und schreiben:
vor, während und nach dem Spiel
Die Regel gilt auf und außerhalb des Platzes.
Du redest viel von und über dich.
Nun kommt wohl nicht ganz überraschend das ABER: Solche Zusammenziehungen gelten stilistisch als unschön. Es empfiehlt sich deshalb, das Nomen in solchen Fällen zu wiederholen oder – das ist oft noch besser – eine andere Formulierung zu wählen:
vor dem Spiel, während des Spiels und nach dem Spiel
Die Regel gilt auf dem Platz und außerhalb des Platzes.
Du redest viel von dir und viel über dich.
Wenn ein Wort in den verschiedenen Fällen die gleiche Form hat, ist die Zusammenziehung übrigens stilistisch meist unbedenklich:
vor, während und nach der Feier
Die Regel gilt auf und außerhalb der Spielfläche.
Er redet viel von und über sich.
Eine besondere Stellung haben mit und ohne und mit oder ohne. Die Zusammenziehung ist in diesem Fall standardsprachlich auch dann üblich, wenn ein Wort im Dativ und Akkusativ unterschiedliche Formen hat:
Wir werden die Sache mit oder ohne dich zu Ende führen.
Apfelkuchen mit und ohne gesüßte Schlagsahne
(Siehe auch hier. Mehr Informationen zu dieser Frage finden Sie auf dieser Seite in der Canoonet-Grammatik)
Soweit die grammatischen und stilistischen Grundsätze. Nun noch ein kleiner persönlicher Zweifel (auch Sprachler zweifeln, wenn es um Sprache geht): Bin ich der Einzige, dem vor, während und nach dem Spiel trotz des oben Gesagten auch stilistisch nicht verunglückt vorkommt? Es mag daran liegen, dass meine Wiege im südlichen deutschen Sprachraum stand, in dem der Dativ nach während gang und gäbe ist. Es könnte aber auch sein, dass es eine allgemein akzeptierte Formulierung ist, die erst dann als „stilistisch unschön“ abgetan wird, wenn man bewusst auf den Erhalt des Genitivs nach während achtet. Kurzum: Gleitet man ins Umgangssprachliche ab, wenn man vor, während und nach dem Spiel akzeptabel findet, oder macht man sich anderseits der stilistischen Prinzipienreiterei schuldig, wenn man diese Formulierung für inakzeptabel hält? Wie so oft bei stilistischen Fragen liegt die Antwort wohl irgendwo dazwischen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Mir, aus dem Norddeutschen stammend, kommt die Formulierung nicht unschön vor, auffällig aber schon. In einer betonten Aufzählung, vor allem in einer Rede, wäre sie kein Problem, in Massen und beiläufig gesagt dagegen lachhaft
Es ist tatsächlich eine etwas sperrige Formulierung, die man im alltäglichen Sprachgebrauch bestimmt eher selten verwendet. Wenn aber zum Beispiel gesagt wird,
habe ich, wie gesagt, wenig gegen sie einzuwenden.