Vom Frühliungputz halte ich nicht viel, aber es ist Zeit, dem Dreck, der sich im Laufe des Winters auf dem Balkon niedergelassen hat, mit dem Besen zu Leibe zu rücken. Das merkt man spätestens dann, wenn die Balkonbegrünung wieder den Einsatz des Gießkännchens erfordert. Es folgt nun weder eine Beschreibung empfehlenswerter Balkongewächse noch ein Tipp, wie man am besten seinen Balkon fegt. Die zu behandelnde Frage ist vielmehr, woher Balkon eigentlich kommt.
Das Wort wird von vielen wie balkong ausgesprochen. Das deutet auf eine französische Herkunft hin. Wir haben es tatsächlich von den Franzosen übernommen, die das Wort balcon allerdings nicht selbst erfunden haben. Vor allem während des 16. und 17. Jahrhunderts war der italienische Einfluss am französischen Hof sehr groß: angefangen bei Katharina von Medici, die als Gattin Heinrichs II. ab 1547 Königin von Frankreich und später Regentin war, über Maria von Medici, ebenfalls durch Heirat französische Königin und später Regentin, bis hin zum auch aus Italien stammenden Kardinal Mazarin (Giulio Mazzarino), der von 1642 bis 1661 als regierender Minister Frankreichs die eigentliche Macht im Staat innehatte. Dieser über ein Jahrhundert währende politische und kulturelle Einfluss manifestierte sich auch in einer großen Anzahl italienischer Lehnwörter (Italianismen).
Auch balcon stammt aus dem Italienischen. Das Wort balcone bezeichnete dort ursprünglich ein Balkengerüst. Balkengerüst lässt vermuten, in welche Richtung man weitersuchen muss: balcone geht auf das langobardische Wort balko zurück. Die Langobarden waren ein germanisches Volk, das im 6. Jahrhundert in Norditalien einwanderte und dort auch einige sprachliche Spuren hinterließ (u. a. in der Lombardei, die ihren Namen den Langobarden verdankt). Das langobardische balko ist direkt mit unserem deutschen Wort Balken verwandt.
Den Balkon habe ich noch nicht gefegt, dafür weiß ich aber jetzt, dass man anhand des Wortes Balkon einen Teil der europäischen Geschichte verfolgen kann. Das germanische Wort gelangte mit den Langobarden nach Italien. Von dort reiste es mit italienischen Prinzessinnen, Kardinälen und deren Gefolge nach Frankreich und kam später, als das Französische hier noch sehr en vogue war, wieder zu uns in den germanischen Sprachraum zurück – ein wahrhaft europäisches Wort! Nebenbei wissen Sie nun auch, dass man Wortgeschichte als Vorwand benutzen kann, wenn man keine Lust auf Hausarbeit hat. Der Balkon muss noch einen Tag warten.
„Das Wort wird von vielen wie balkong ausgesprochen. Das deutet auf eine französische Herkunft hin.“
Wieso? Für mich überhaupt nicht – eine Aussprache als Balkõ würde für mich auf Französisch hindeuten, eine Aussprache als Balkoŋ nur auf einen Germanizismus (keiner hier in Österreich würde das so aussprechen).
„Das Wort wird von vielen wie balkong ausgesprochen.“ Mit „von vielen“ sind diejenigen aus vor allem Nord- und Mitteldeutschland gemeint, die Balkon nicht mit einer französischen nasalen Endung als /balkõ/, sondern als /balkoŋ/ aussprechen, das heißt so, wie man es ausspräche, wenn es balkong geschrieben würde. Im südlichen deutschen Sprachraum ist (auch) die Aussprache mit einem langen o üblich: /balko:n/. Man verzeihe mir bitte, dass ich diese etwas komplexerer Aussprachesituation nicht ausführlich im Beitrag dargestellt habe.
„Das deutet auf eine französische Herkunft hin.“ Wenn Deutsche ein Wort, das in geschriebener Form eine auf -n endende Silbe enthält, so aussprechen, wie wenn man -ng schreiben würde, dann handelt es sich in der Regel um ein aus dem Französischen übernommenes Wort:
Die Aussprache balkong, die viele (wer genau damit gemeint ist, siehe oben) für Balkon benutzen, ist also ein starker Hinweis auf eine französische Herkunft.
Wenn jemand das Wort Balkon in Österreich wie balkong ausspricht, könnte man dies als „Germanizismus“ bezeichnen. Dies gilt aber nur auf der Ebene der Aussprache und bezieht sich ausschließlich auf die Herkunft des Sprechers. Es sagt nichts über die Herkunft des Wortes. Auch ein „deutschländisch“ ausgesprochener Gallizismus ist ein Gallizismus.
Interessant – für mich wären das alles bestensfalls Aussprachefehler … Lang leben die Sprachvarietäten.