Frage
Was halten Sie von der im Juristendeutsch häufig anzutreffenden Wendung „von Verfassungs wegen“? […] Ich meine: Von Sprachbildungs wegen müssten manche Juristen, und seien sie höchstpositioniert, links und rechts abgewatscht werden; dies ist freilich nicht nur von Rechts, sondern auch von Erbarmungs und Menschenwürdes wegen zu unterlassen, und zwar selbst dann, wenn der gleiche Personenkreis von Sachleistungen spricht und schreibt, die „an Zahlungs statt“ zu leisten seien. Wo kommt dieses alberne „ungs-s“ her?
Antwort
Sehr geehrte Frau G.,
mit dem „Abwatschen“ würde ich vorsichtig sein. Die Wendung an Zahlungs statt ist zwar ein bisschen veraltend, aber sie gilt standardsprachlich als korrekt und ist in (fast) allen Wörterbüchern zu finden. Früher schrieb man zum Teil auch an Zahlungsstatt. Das s hat sich in Analogie mit an Eides statt und an Kindes statt (früher auch: an Kindesstatt) eingeschlichen. Die Frage ist nun, ob es sich wirklich um eine Genitivendung handelt. Dass dem nicht unbedingt so sein muss, zeigen die alten, zusammengeschriebenen Formen.
Die Präposition (an)statt ist aus einem Substantiv entstanden: die Statt = Ort, Platz, Stelle. Da dieses Substantiv in der präpositionalen Wendung keine substantivischen Merkmale mehr aufweist, schreibt man es klein (so die Rechtschreibregelung).
Wenn man heute an Zahlungsstatt schriebe, würde sich kaum jemand über das s wundern. Es wäre klar, dass es sich um ein Fugen-s handelt, das immer in Zusammensetzungen mit weiblichen Wörtern auf –ung steht und das auch in zum Beispiel Zahlungsauftrag und Zahlungsfrist vorkommt. Da man aber an Zahlungs statt schreibt, ist diese mögliche Herkunft des s nicht ersichtlich.
Bei von Verfassungs wegen ist die Lage ähnlich. Der Ausdruck ist allerdings noch mehr als an Zahlungs statt reiner Fachjargon – Juristendeutsch „vom Feinsten“. Das s wurde hier wohl in Anlehnung an von Rechts wegen eingeschoben. Dieser Einschub wurde dadurch erleichtert, dass auch wegen auf ein Substantiv zurückgeht (Dativ Plural von Weg). Hier ist das s zwar ziemlich sicher ein durch falsche Analogie gesetztes Genitiv-s, es wird aber durch das Fugen-s nach –ung gestützt, das zum Beispiel auch in Verfassungsänderung und verfassungsfeindlich vorkommt.
Natürlich kann ein solches „Analogie-Genitiv-s“ oder „historisch begründbares Fugen-s“ nicht so, wie Sie es scherzhaft in Ihrer Frage tun, überall eingefügt werden. Es kommt nur in einigen wenigen festen Wendungen vor und ist mehr (an Zahlungs statt, von Obrigkeits wegen) oder weniger (von Verfassungs wegen) bekannt und akzeptiert. Die Situation ist also nicht ganz so eindeutig, dass man gleich zum Abwatschen übergehen sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
PS: Viel übersichtlicher ist die Lage in einem anderen Fall: In den Wendungen des Nachts und eines Nachts handelt es sich eindeutig um ein Genitiv-s, das heißt um Analogiebildungen zu Genitivformen wie des Morgens, eines Morgens, eines Tages usw. (mehr dazu hier).
Obwohl er richtig ist, gefällt mir der Ausdruck “an Zahlungs statt” nicht.
Ich möchte viel lieber “an Zahlung statt” schreiben und sagen.
Geht das? Danke.
Der feststehende Ausdruck lautet an Zahlungs statt. Wenn er Ihnen nicht gefällt, können Sie nicht auf an Zahlung statt ausweichen. Die präpositionale Wendung an … statt kommt eigentlich nur in den folgenden (veraltenden) Wendungen vor:
Mögliche »Ausweichrouten« für an Zahlungs statt sind:
Ich kann allerdings nicht mit Sicherheit sagen, ob dies auch streng juristisch immer gleichbedeutende Alternativen sind.