In dieser Woche habe ich einen Kongress besucht, auf dem ich an einem Symposium teilnehmen durfte. Ich habe dort viele Lexikographen und Lexikographinnen gehört und gesprochen. Es war, kurz gesagt, interessant und lehrreich.
Ich glaube nicht, dass diese Mitteilung für Sie sehr interessant und lehrreich ist. Ich mache sie vor allem deshalb, weil ich die Wörter Kongress, Symposium und Lexikograph verwenden wollte. Mir fiel nämlich in einer ruhigeren Minute wieder einmal auf, dass am Kongress viele Fremdwörter benutzt wurden, für die es auch deutsche Wörter gäbe. Das ist unter Fachleuten gang und gäbe. (Zwei ganz unterschiedliche gäbe hintereinander; das wäre auch einmal einen Blogeintrag wert, aber hier schweift der „Sprachler“ in mir ab.) Lexikograph ist so ein Fremdwort. Es bedeutet eigentlich nichts anderes als Wörterbuchmacher oder Wörterbuchschreiber. Da das Wort aber außerhalb der Lexikographie nur selten vorkommt und deshalb in allgemeinsprachlichen Texten sowieso kurz erklärt werden sollte, kann man wohl kaum von „schädlichem Fremdworteinfluss auf die deutsche Sprache“ sprechen.
Bei Kongress sieht es ein bisschen anders aus. Kongresse gibt es in allen Berufsgattungen und Interessenbereichen. Es gibt viele Städte, die sich rühmen, Kongressstadt zu sein, oder zumindest danach streben, eine zu werden. Kongress ist ein Wort, das sich in die Allgemeinsprache „eingeschlichen“ und sich dort einen Platz erobert hat. Es wurde Ende des 17. Jahrhunderts aus dem Lateinischen entlehnt, wo congressus unter anderem Zusammentreffen, Zusammenkunft bedeutet. Was die Gebildeten des ausgehenden 17. Jahrhunderts dazu bewogen haben mag, Kongress statt des gleichbedeutenden deutschen Wortes Zusammenkunft zu verwenden, weiß ich natürlich nicht genau. Ich vermute aber, dass es etwas mit Prestige – Verzeihung – Ansehen zu tun hatte. Auch heute noch klingt Kongress nach „mehr“ als die deutschen Entsprechungen Zusammenkunft oder Tagung. Genau deshalb hat es seinen Platz im deutschen Wortschatz auch verdient.
Symposium liegt, was die Fachsprachlichkeit angeht, irgendwo zwischen Kongress und Lexikograph. Es kommt nicht so häufig vor wie Kongress, man begegnet ihm aber öfter als Lexikograph auch in allgemeineren Texten und Aussagen. Es kommt aus dem Griechischen und bedeutete ursprünglich das Zusammentrinken, das Trinkgelage. Man kam bei den alten Griechen – und nicht nur bei ihnen – beim Trinken oft ins Philosophieren. Heute ist der Aspekt des Trinkens ganz in den Hintergrund getreten (bei unserem Symposium gab es Kaffee und Tee). Es geht nun um den Aspekt des Miteinanderredens: Ein Symposium ist eine „dem Austausch von Gedanken und Erkenntnissen dienende Zusammenkunft von Wissenschaftlern? (DWDS). Man könnte anstatt des Fremdwortes also auch einfach eine deutsche Entsprechung wie wissenschaftliche Gesprächszusammenkunft verwenden. Das tut man aber nicht, denn es klingt einfach viel weniger wissenschaftlich. Genau deshalb ist das Wort Symposium ein gutes Wort. Es gibt uns die Möglichkeit, mit einem Wort Zusammenkunft, Gedankenaustausch und den Anspruch der Wissenschaftlichkeit auszudrücken.
Ich stichle hier ein bisschen gegen allzu eifrige „Anglizismenjäger“, die englische Lehnwörter prinzipiell ablehnen. Ich fand es deshalb ganz amüsant, als ich beim Recherchieren das Folgende entdeckte: Im 18. und 19. Jahrhundert verwendete man im Deutschen die griechische Form Symposion. Die Form mit der lateinischen Endung –um trat erst im 20. Jahrhundert in den Vordergrund – wahrscheinlich unter dem Einfluss des Englischen … Anglizismen findet man wirklich überall!
Falls Sie noch auf eine Antwort von mir warten, liegt es daran, dass ich auf einem Kongress an einem Symposium teilgenommen habe, und nicht etwa daran, dass ich an einer Zusammenkunft mit Trinkgelage war.