Man könnte es schon beinahe das K-Wort nennen. Es dauert nun schon so lange, dass man kaum noch zu sagen wagt: „Es ist kalt!“
Das Wetter soll hier aber nicht das Thema sein. Im Zusammenhang mit diesem „K-Wort“ ist mir wieder einmal einer der Missverständnisse verursachenden Unterschiede zwischen den germanischen und den romanischen Sprachen eingefallen. Wenn die „Germanischsprechenden“ kalt, cold, koud, kall, kald, kold sagen, reden sie von tiefen Temperaturen. Wenn die „Romanischsprachigen“ caldo, chaud, caliente, calent, caud, cald sagen, klingt das zwar sehr ähnlich, aber sie meinen genau das Gegenteil, nämlich warme Temperaturen.
Wenn Sie in verschiedenen Ländern Wasserhähne bedient haben, dann erkennen Sie bestimmt Folgendes: Bei Wasserhähnen mit einem roten und einem blauen Punkt, ist es einfach, je nach Wunsch kaltes oder warmes Wasser fließen zu lassen. Wenn die Wasserhähne in keiner Weise markiert sind und Sie wie ich nie sicher sind, ob nun tatsächlich links warm und rechts kalt sein muss, dann bleibt nur vorsichtiges Ausprobieren. Richtig „problematisch“ wird es, wenn auf einem der beiden Hähne ein C steht. In angelsächsischer Umgebung, wo man diesbezüglich selten mit einer anderen als der Landessprache konfrontiert wird, ist dann in der Regel klar, dass damit cold = kalt gemeint ist. In allen anderen Ländern ist eine komplizierte Abwägung verschiedener Kriterien notwendig: Welcher Sprachfamilie gehört die Landessprache an und – weit wichtiger – hat die Innenarchitektin oder der Installateur ein am Englischen oder ein am Französischen inspiriertes Modell gewählt? Im ersten Fall ist C kalt, im zweiten Fall ist C warm. Dann hilft nur ein Blick auf den anderen Hahn: Steht dort ein F, dann muss C warm sein, steht dort ein H, dann muss C kalt sein. Viel einfacher ist es dann auch in diesem Fall, einmal kurz an einem Hahn zu drehen und abzuwarten, was kommt.
Die Verwechslungsgefahr rührt daher, dass die beiden Sprachfamilien hier auf zwei ganz unterschiedliche Wörter zurückgreifen, die einander in den modernen Sprachformen sehr ähnlich geworden sind.
Vorfahre der romanischen Wörter für warm ist das lateinische cal[i]dus mit derselben Bedeutung. Vorfahre der germanischen Wörter für kalt ist ein altes Verb kala (frieren), genauer genommen eine Partizipform davon. Auch unser Wort kühl geht auf dieses Verb zurück. (Ganz weit hinten ist dieses Verb übrigens auch mit dem Vorfahren der romanischen Wörter geler, gelare, helar usw. = [ge]frieren verwandt …)
Zwei nicht miteinander verwandte Basiswörter haben sich also in verschiedenen Sprachen zu lautlich sehr ähnlichen Wörtern entwickelt. Das kommt häufiger vor und ist eine der Ursachen für die Entstehung von sogenannten falschen Freunden (faux-amis, false friends). Ein paar Beispiele von falschen Freunden dieser Art:
en. mist (Nebel) – dt. Mist
en. angel (Engel) – dt. Angel
frz. hier (gestern) – dt. hier
nl. gekocht (gekauft) – dt. gekocht
it. alto (hoch) – dt. alt
it. ente (Amt) – dt. Ente
se. öl (Bier) – dt. Öl
nl. worst (Wurst) – en. worst (schlechteste)
en. ape (Affe) – it. ape (Biene)
it. burro (Butter) – sp. burro (Esel)
u. v. a. m.
Das „K-Wort“ soll gemäß Wetterberichten nicht mehr so lange aktuell bleiben. Werden wir schon bald wieder über das „H-Wort“ klagen? Schön wär’s!
Kein K-Fall, kein C-Wort.
Ein Fund im Hollandurlaub in Bergen aan Zee: kalt der Winter; grün die Tulpenfelder::
„Lach het kind maar niet uit, als’t in onwetendheid
op zijn paardje van hout heerlijk en groot zich voelt,
goede vrienden! ook wij zijn
vol gedachten, maar dadenarm! (…)“
[1. Strophe eines zweizeiligen Hölderlin-Gedichtes, das ich hier in niederländischer Translation, aber ohne Titel angebe. – Vertaald door Ad den Besten. Athenäum. Amsterdam 2011]
“dadenarm“ möchte ich hier als Beispiel für Übersetzungsschwierigkeiten mit hoher Verwechselungsgefahr anbieten. Confer „(…)Tatenarm und gedankenvoll.“
Et quae sunt reliqua:
Weiterhin nachzutragen bei dem lateinischen Fehlgriff (Zitat): „cal[i]dus“.
Zu dem „lateinische[n] cal[i]dus“ mit derselben Bedeutung (…) [eben: warm]:
Da sind zwei verschiedene Verben zu Gange in der Wortgeschichte:
Zu dem Adjektiv „calidus“ = „warm, heiß“ (u.a.) fungiert das Verb „calēre, calēo …“: warm, heiß, entflammt sein.
Das Adjektiv „callidus“ = „erfahren, geübt“, … schlau … gehört zum Verb „callēre, callēo …“: dickhäutig, schwielig; geübt, erfahren sein…
Die kaum erinnerbaren Unterschiede der Verben und der Adjektive erlebte ich in der altsprachlichen Penne als kombinierbar zu vielfältigen Lustverbrechen (angeblich des „Memorierens wegen“) eines Lateinlehrers.
Ich mache diese Anmerkung nicht zur Teilleistung der vielfältigen Werbe- und tuntenhaften Versprechungen von Latein-Ausübenden, Gymnasiasten zum Latein-Lernen anzuwerben; weil ich meine Lateinkünste, für die ich auch immer Hilfsmittel wie den „kleinen Stowasser“ oder den großen „Georges“ brauche. (Letzteren nur bei meinem alten Lateinlehrer, der deshalb zitiere- und besuchbar ist, weil er auch Mathematik, Physik und Philosophie unterrichtete; eine Fächerkombination, die ihn nicht zum üblichen Latein-Pauker machte.
Fulmen in clausula: Is est et erit unus et singularis homo sapiens (den ich in sechsjähriger Lateinschule bis zum Abitur 1965 kennen lernte.)
Aber ich weiß, wo m an nachschlagen muss, um dem Latein-Furor zu entkommen.
Wo die Angabe zur Morphologie oder Etymologie zum Doppeladjektiv „cal[i]dus“ zu finden sei, würde mich allerdings interessieren.
Gratia non deis, sed callidis Magistris!
Pardon:
Da ist mir ein kleiner, aber übler Lesefehler unterlaufen:
Gemeint man in Ihrem Text, Herr Dr. Bopp: [richtig zitiert): „cal[i]dus”.
Also: “calidus” und daraus synkretistisch und sprech-oekonomisch sich ergebend “caldus”. – Mit der Bedeutung in beiden Wortformen “kalt”.
Also ein, m e i n grundegender Irrtum. Ein “proton pseudos”! (Altgr.: πρῶτον ψεῦδος)
Germano-angliszistisch: Großes Sorry!