Frage
Diesmal geht es um die indirekte Rede. Temporaladverbien (gestern, heute usw.) werden ja geändert:
Er sagt: „Ich bin gestern nicht in Köln gewesen.“
Er sagt, er sei am Tag zuvor nicht in Köln gewesen.
Wäre es falsch, auch in der indirekten Rede „gestern“ zu schreiben? Mich hätte das absolut nicht gestört…
Antwort
Sehr geehrte Frau I.,
es gibt praktisch keine Regel, die uneingeschränkt gilt. So auch hier. Zeitangaben, die sich unmittelbar auf den Sprechzeitpunkt beziehen, müssen in der indirekten Rede tatsächlich geändert werden – aber nur dann, wenn sie zum Sprechzeitpunkt nicht mehr aktuell sind:
Er sagte am 25. Januar: „Ich bin gestern nicht in Köln gewesen.“
Er sagte am 25. Januar, er sei am Tag zuvor nicht in Köln gewesen.”Sie hat vor einigen Tagen gesagt: „Ich zahle morgen.“
Sie hat vor einigen Tagen gesagt, dass sie am Tag danach zahle.
Das liegt daran, dass es bei einem Zitat in direkter Rede zwei Sprechzeitpunkte gibt: den Zeitpunkt, an dem zitiert wird, und den Zeitpunkt, an dem das Zitierte gesagt wird. Wenn nun die direkte Rede in die indirekte Rede umgewandelt wird, verliert das Zitierte sozusagen seinen Sprechzeitpunkt. Es gibt nur noch den Sprechzeitpunkt des Zitierens.
Zeitangaben wie gestern, heute und morgen beziehen sich immer unmittelbar auf den Sprechzeitpunkt. Wenn bei der Umsetzung von der direkten in die indirekte Rede ein Sprechzeitpunkt verschoben wird, geschieht es häufig, dass dieser Bezug nicht mehr stimmt. Das morgen am Tag X ist ein paar Tage später nicht mehr morgen, sondern der Tag nach X. Deshalb müssen oben das gestern und das morgen der direkten Rede in der indirekten Rede durch z. B. am Tag zuvor und am Tag darauf ersetzt werden.
Wenn nun aber gestern in der zitierten Aussage der gleiche Tag ist wie gestern zum Zeitpunkt des Zitierens, kann es auch in der indirekten Rede stehen bleiben. Der Sprechzeitpunkt der direkten Rede wird zwar durch den Sprechzeitpunkt des einleitenden Satzes ersetzt, der Tag und somit die zeitlichen Bezüge von heute, gestern und morgen bleiben aber dieselben:
Er hat heute Morgen gesagt: „Ich bin gestern nicht in Köln gewesen.“
Er hat heute Morgen gesagt, er sei gestern nicht in Köln gewesen.Sie hat heute gesagt: „Ich zahle morgen.“
Sie hat heute gesagt, dass sie morgen zahle.
Temporaladverbien wie heute, gestern, morgen beziehen sich also immer auf den Sprechzeitpunkt, das heißt auf den Zeitpunkt, an dem die Aussage gemacht wird. Manchmal sind der Sprechzeitpunkt der Zitateinleitung und der Zeitpunkt der Zitataussage wie oben fast identisch. Dann muss auch in der indirekten Rede nichts angepasst werden. In allen anderen Fällen ist eine Anpassung der Adverbien notwendig.
So kann es umgekehrt auch vorkommen, dass gestern, heute oder morgen in der indirekten Rede erscheinen, obwohl sie in der direkten Rede gar nie vorkamen. Ich kann zum Beispiel am 25. Juni (und nur an diesem Tag) sagen:
Er hat vor ein paar Tagen gesagt: „Ich werde am 26. Juni kommen.“
Er hat vor ein paar Tagen gesagt, dass er morgen kommen werde.
Ein anderes Beispiel:
Sie sagte gestern: „Übermorgen werde ich zahlen.“
Sie sagte gestern, dass sie morgen zahlen werde.
Das klingt alles ziemlich kompliziert. Es lässt sich jedenfalls nicht mit einer für alle Fälle geltenden einfachen Regel beschreiben. Solche Bezüge stellen wir zum Glück aber meistens automatisch her, ohne dass wir uns den Kopf über sich verschiebende Sprechzeitpunkte zerbrechen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
In einem Punkt hast Du Dich vertan: Der 27. Juni muss ein 25. werden, oder der 26. ein 28., oder das Morgen muss zum Gestern werden.
Ansonsten großes Lob: Wieder mal ein schöner, leicht verständlicher Artikel! Ich lese den Blog wirklich gerne, und dass es meist keine Kommentare gibt, liegt wohl daran, dass es auch nichts auszusetzen gibt.
Stimmt. Man sollte den Umgang mit Zahlen auch nicht Sprachlern überlassen … Ist korrigiert. Danke für den Hinweis und die netten Worte.