Frage
Wird das Verb im unten angegebenen Beispiel im Plural oder Singular benutzt?
„Mehr als eine Frage werden/wird gestellt?“
Antwort
Guten Tag A.,
im Prinzip ist es ganz einfach: Die gebeugte Verbform richtet sich nach dem Subjekt des Satzes. Ihre Frage zeigt aber, dass es doch nicht immer ganz so einfach ist.
Das Subjekt ist mehr als eine Frage. Die Person ist eindeutig: Es handelt sich um eine dritte Person. Beim Numerus wird es dann aber schwieriger: Ist mehr als eine Frage Einzahl oder Mehrzahl? Rein nach der Bedeutung ist es eine Mehrzahl. Schließlich ist eine Frage eine Einzahl, also muss mehr als eine Frage eine Mehrzahl sein. Trotzdem heißt es normalerweise:
Mehr als eine Frage wird gestellt.
Mehr als ein Gast hat sich beklagt.
In diesem Bericht wurde mehr als eine Datenquelle benutzt.
Es ist nicht üblich, hier das Verb im Plural zu verwenden. Das liegt daran, dass die Gegenwart der Einzahlform eine Frage so stark ist, dass sich das Verb nach dieser singularischen Form und nicht nach dem pluralischen Sinn richtet. Wenn wir nämlich eine Frage durch zwei Fragen ersetzen, muss das Verb auch im Plural stehen:
Mehr als zwei Fragen werden gestellt.
Mehr als zehn Gäste haben sich beklagt.
Im Bericht wurden mehr als hundert Datenquellen benutzt.
Das Verb richtet sich also bei Subjekten der Form mehr als nach der Substantivgruppe, die nach als steht. Dass Wendungen mit mehr als ein(e) eine pluralische Bedeutung haben, hat dabei keinen Einfluss auf die Verbform. Sie steht in der Einzahl. Das Substantiv ist also der Kern der Subjektgruppe – und mehr als ist „nur“ eine adverbialen Wendung, die das Zahlwort genauer bestimmt.
Ähnlich sind Formulierungen mit manche(r) und manch ein(e) im Singular:
Mancher Gast hat sich beklagt.
Manch eine Frage konnte nicht beantwortet werden.
Mancher Mensch lernt es nie.
Auch hier sind eindeutig mehrere Gäste, Fragen resp. Menschen gemeint. Trotzdem formulieren wir alles in der Einzahl. Das liegt daran, dass wir mit manch im Singular das Folgende ausdrücken (ich zitiere aus dem Duden, so schön kann ich selbst nicht formulieren):
einzelne Person od. Sache, die sich mit andern ihrer Art zu einer unbestimmten, aber ins Gewicht fallenden Anzahl summiert
Hier ist gewissermaßen der Nachdruck auf das Individuum / die individuelle Sache so stark, dass alles trotz pluralischer Gesamtbedeutung im Singular steht.
Ob es nun um mehr als ein oder manche(r) geht, in beiden Fällen richten wir uns bei der Formulierung des Satzes nach etwas anderem als der reinen Gesamtbedeutung. Und jetzt kommt, wie „Eingeweihte“ bereits vermuten, eine meiner Lieblingsschlussfolgerungen: Mit reiner Logik kommt man in der Sprache oft nicht weit. Manche Frage wurde mir aus diesem Grund gestellt und mehr als ein Blogeintrag schließt mit dieser Feststellung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Auf der verlinkten Seite steht:
“Die Verbform muss sich in Numerus und Person an das Subjekt anpassen.”
Subiectus (lat.) heißt ja “unterworfen”. Müsste sich daher nicht eher das Subjekt dem Verb anpassen?
Wenn nicht, wem ist dann das Subjekt eigentlich “unterworfen”?
Herzlichen Dank.
(PS: Tippfehler auf der verlinkten Seite: “verlang”.)
Das lateinische Partizip subiectus heißt nicht nur unterworfen, sondern u.a. auch unter etwas geworfen, unter etwas gelegt. Das Subjekt ist eigentlich dasjenige, über das im Satz etwas ausgesagt wird. Es ist dasjenige, das der Aussage zugrunde gelegt ist. Das Wort subiectus ist hier, grob gesagt, in diesem Sinne zu verstehen.
(Danke für den Hinweis!)