Frage
„Wenn ich du wäre …“
„Wenn ich dich wäre …“
Die Menschen hier in Süddeutschland verwenden letztere Variante mit Vorliebe. Würden Sie bitte, bitte die Freundlichkeit haben und ihnen erklären, weshalb jene nicht richtig ist? Ich wäre Ihnen wirklich unsäglich dankbar – man glaubt mir einfach nicht (das Problem ist eben, daß ich keine grammatikalische Regel „aufsagen“ kann).
Antwort
Sehr geehrte Frau B.,
im südlichen deutschen Sprachraum heißt es umgangssprachlich korrekt:
wenn ich dich wäre
Mit diesem etwas provokativen Anfang möchte ich Sie nur darauf hinweisen, dass es mehr als eine Variante der deutschen Sprache gibt. Worum es Ihnen geht, ist die als Standardsprache bezeichnete Variante – und dann haben Sie recht. Auf gut Standarddeutsch heißt es nur und ausschließlich:
wenn ich du wäre
Das du ist ein prädikativer Nominativ (siehe Prädikativ zum Subjekt). Es heißt ja auch:
wenn ich wer wäre? (nicht: *wenn ich wen wäre?)
wenn ich dein Bruder wäre. (nicht: *wenn ich deinen Bruder wäre)
Analog steht standardsprachlich auch bei den Personalpronomen der Nominativ und nicht der Akkusativ:
wenn ich du wäre
wenn du ich wärst
wenn ich er wäre
Dennoch ist hier in vielen Dialekten und Regionalsprachen der Akkusativ gebräuchlich:
wenn ich dich wäre
wenn du mich wärst
wenn ich ihn wäre
In der Umgangssprache dieser Regionen ist dies eine mindestens gleichwertige, wenn nicht sogar die „richtigere“ Variante. Ich würde deshalb empfehlen, die Leute dort nur dann zu korrigieren, wenn Sie als Lehrerin, Korrektorin, Lektorin oder in einer ähnlichen Funktion auftreten oder wenn Sie gefragt werden, was standardsprachlich als korrekt gilt. Wenn es standardsprachlich wirklich einwandfrei sein soll, heißt es ohnehin besser:
an deiner Stelle
Interessant finde ich weiter, dass die Regionalsprachen mit diesem „Fehler“ nicht allein dastehen. Auch im Englischen heißt es:
if you were me
Die Verwendung des Nominativs I ist ebenfalls möglich, aber if you were I scheint für die meisten Englischsprachigen eher gestelzt zu klingen. Auch in anderen germanischen Sprachen kann Ähnliches beobachtet werden. In zum Beispiel dem Niederländischen und dem Norwegischen steht das Personalpronomen bei dieser Formulierung auch im Akkusativ statt im Nominativ:
als ik jou was
als jij mij washvis jeg var deg.
hvis du var meg.
Warum es eine Tendenz gibt, hier den Akkusativ zu verwenden, weiß ich leider nicht. Ich konnte keine Erklärung finden. Es zeigt aber, dass die deutschsprachigen dich-Sagenden nicht die einzigen sind.
Und damit mir nun niemand vorwerfen kann, ich propagiere falsches Deutsch, sei noch einmal gesagt, dass im Standarddeutschen nur der Nominativ als korrekt gilt:
wenn ich du wäre
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Sehr geehrter Herr Dr. Bopp,
ich bin in der nordschwäbischen Provinz in Bayern aufgewachsen und kann mich nicht erinnern, hier jemals „wenn ich dich wäre“ gehört zu haben. Ich vermute deshalb, zu sagen, dass es sich um eine Variante in der süddeutschen Umgangssprache handelt ist etwas zu ungenau.
Mit freundlichen Grüßen
In Österreich habe ich dergleichen auch noch nie gehört. Wo ist das üblich?
In vielen alemannischen Gegenden ist diese Formulierung üblich (z.B. auch im Voralbergischen). Ob dies in ALLEN alemannischen Gegenden und NUR in alemannischen Gegenden üblich ist, weiß ich leider nicht. Der sehr interessante Atlas zur deutschen Alltagssprache hat leider keine Umfrage zu diesem Thema durchgeführt, die eine wirklich fundierte Aussage ermöglichen würde. Somit ist die Aussage »im südlichen deutschen Sprachraum« tatsächlich zu ungenau. Ich hätte wohl auch im ersten Teil des Artikels besser »in vielen Dialekten und Regionalsprachen« geschrieben. Für »sachdienliche Hinweise« bin ich natürlich immer sehr dankbar.
Dann ist also in diesen „vielen Dialekten und Regionalsprachen“ auch die Frage „Wenn du wen wärst?“ richtig?
Dass die Menschen in Süddeutschland die Akkusativ-Variante mit Vorliebe verwenden, wie Frau B. schreibt, fällt mir sehr schwer zu glauben. Ich habe jahrelang in Hessen und in Bayern gewohnt, aber eine Formulierung wie „wenn ich dich wäre“ ist mir noch nicht untergekommen.
Nein, die Frage Wenn ich wen wäre? ist auch in diesen Regionen nicht üblich (auch nicht: wenn ich deinen Bruder wäre). Es geht, wie im Artikel dargestellt werden soll, nur um die Personalpronomen. Und dass ihnen wenn ich dich wäre weder in Hessen noch in Bayern begegnet ist, würde dann ja damit übereinstimmen, dass diese Formulierung (vor allem?) in den alemannischen Regionen vorkommt.
Ihre Frage bringt mich übrigens auf eine Idee, womit dieses Phänomen in Verbindung stehen könnte: In den alemannischen Dialekten werden Nominativ und Akkusativ in der Regel nur bei den Personalpronomen unterschieden. Dies ist auch im Englischen und Niederländischen so (vom Norwegischen weiß ich zu wenig, um hier eine Aussage machen zu können), also in Sprachen, in denen das gleiche Phänomen vorkommt.
Die Vermutung klingt schlüssig. Vielleicht lässt der Atlas zur deutschen Alltagssprache sich ja hier Input geben und fragt das in einer der nächsten Runden ab? 😉
Vielen Dank für die Reaktion auf meinen Beitrag.
Es gibt noch so eine „Besonderheit“: Ich rufe dir an.
Dazu gibt es sogar einen Eintrag in Duden Band 9: In der Standardsprache wird „anrufen“ nur mit dem Akkusativ verbunden. Die Verbindung mit dem Dativ gehört zur regionalen Umgangssprache, besonders in Südwestdeutschland und der Schweiz.
Schönes Wochenende!
Danke für die Information, lieber Dr. Bopp.
zu der Frage, ob man auf Norwegisch Akkusativ und Nominativ nur bei den Personalpronomen unterscheidet, ist die Antwort auch „Ja“.
In der Tat auf Standarddeutsch gibt es eine Unterscheidung zwischen Akkusativ und Nominativ nur im Maskulinum Singular:
ihr seht DEN Mann – DER Mann sieht euch
als Vergleich, im Neutrum, Femininum, und im Plural:
ihr seht DAS Kind – DAS Kind sieht euch
ihr seht DIE Frau – DIE Frau sieht euch
ihr seht DIE Männer – DIE Männer sehen euch