Frage
Als Pressereferentin einer kleinen kommunalen Verwaltung richte ich Einladungen zu öffentlichen Veranstaltungen oft an eine bestimmte Zielgruppe, zum Beispiel Anwohner oder Menschen, die sich für ein bestimmtes Thema/Projekt interessieren. Dabei habe ich sie oft als „Interessierte“ angesprochen, aber vor einiger Zeit feststellen müssen, dass es eigentlich „Interessenten“ heißen sollte. Auch in Ihrem Wörterbuch habe ich „Interessierte“ nicht gefunden, nur „Interessenten“. Aber meiner Ansicht nach drücken diese Worte Unterschiedliches in unterschiedlichen Kontexten aus: Ein Interessent ist jemand, der m. E. eher etwas erwerben will, ein „Interessierter“ ist jemand, den ein Thema/Projekt interessiert.
Antwort
Sehr geehrte Frau R.,
Sie können die Zielgruppen weiterhin mit Interessierte ansprechen, auch wenn das Wort nicht in den Wörterbüchern zu finden ist.
Wenn ein Wort nicht im Wörterbuch steht, heißt das noch lange nicht, dass es das Wort nicht gibt oder geben kann. Das Wort Interessent steht unter anderem deshalb im Wörterbuch, weil es nicht sofort von sich aus verständlich ist. Ein Substantiv, das auf ent endet und mit einem Verb auf ieren verwandt ist, bezeichnet ja meistens die Person, die die Verbhandlung ausführt: Ein Dirigent dirigiert, ein Dozent doziert, ein Konkurrent konkurriert, ein Konsument konsumiert, ein Produzent produziert, ein Student studiert usw. Ein Interessent hingegen interessiert nicht, sonder ist interessiert. Ein Wort mit einer „abweichenden“ Bedeutung dieser Art sollte in einem Wörterbuch aufgelistet und erklärt werden.
Bei der/die Interessierte hingegen ist keine Erklärung notwendig: Es ist ohne weitere Erklärung sofort verständlich, dass eine Person gemeint ist, die interessiert ist. Dasselbe gilt für sehr, sehr viele substantivierte Adjektive und Partizipien. Man findet deshalb bei Weitem nicht alle Substantivierungen dieser Art in den Wörterbüchern (z. B. der/die Gleichberechtigte, das Altbekannte, der/die Gelangweilte, das Ungerheuerliche, der/die Angesprochene, das Absurde, der/die/das Verhasste, das Attestierte, der/die Dispensierte, der/die Blondierte usw.).
Das ist der Hauptgrund dafür, dass Sie das Substantiv der/die Interessierte auch in unserem Wörterbuch nicht antreffen. Der Verwendung des Wortes steht aber, wie gesagt, nichts im Wege.
Sie könnten auch das Wort Interessent verwenden. Es geht mir aber wie Ihnen: Trotz weiter gefasster Definitionen in den Wörterbüchern klingt Interessent auch für mich immer ein bisschen wie potenzieller Kunde. Ein anderer, nicht zu vernachlässigender Vorteil ist, dass Sie mit der Mehrzahlform Interessierte in einfacher Weise alle interessierten Menschen ansprechen können und nicht etwa auf Formulierungen der Art Interessenten und Interessentinnen angewiesen sind. Wenn dies ein Wettbewerb wäre, stünde es jetzt also zwei zu null für Interessierte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp