Allerheiligen

Diesmal ein paar Bemerkungen zum heutigen kirchlichen Feiertag. Wie es sich für ein Sprachblog gehört, geht es dabei weder um Besinnliches noch um Religiöses, sondern nur um den Namen des Feiertages: Allerheiligen.

Allerheiligen

Es ist Ihnen bestimmt auch aufgefallen, aber ich sage es trotzdem noch einmal: Der Name Allerheiligen ist eigentlich ein Genitiv. Er ist eine Verkürzung von Allerheiligentag, also Tag aller Heiligen. Am 1. November wird in der katholischen Kirche aller Heiligen, der bekannten und der unbekannten, gedacht. Der auf Allerheiligen folgende Tag trägt einen in gleicher Weise geformten Namen: Allerseelen. Es ist der Tag, an dem der Seelen aller Verstorbenen gedacht wird. (Anfang November ist der Genitiv also keineswegs bedroht!)

Wenig erstaunlich für einen katholischen Feiertag ist, dass der Name lateinischen Ursprungs ist: Sollemnitas Omnium Sanctorum (wörtl. Feierlichkeit aller Heiligen). Ein wenig erstaunt hat mich dann aber doch, dass dieser Feiertag in allen Sprachen, für die ich es einigermaßen kontrollieren konnte, eine wörtliche Übersetzung aus dem Lateinischen ist. Das war zwar zu erwarten, aber ein bisschen mehr Eigensinnigkeit hätte ich mir bei der einen oder anderen Sprache doch erhofft. Bei zum Beispiel Weihnachten, Ostern und Pfingsten haben die verschiedenen Sprachen ja ein bisschen mehr Abwechslung zu bieten. Hier ein paar Beispiele:

Niederländisch: Allerheiligen (nur die Aussprache ist etwas anders als bei uns)
Dänisch: Allehelgensdag
Norwegisch: Allehelgensdag
Schwedisch: Alla helgons dag
Isländisch: Allraheilagramessa

Englisch: All Saints’ Day

Französisch: Toussaint
Italienisch: Ognissanti
Katalanisch: Tots Sants
Spanisch: Día de Todos los Santos
Portugiesisch: Dia de Todos-os-Santos

Polnisch: Wszystkich Świętych
Russisch: Всех святых
Tschechisch: Všech svatých
Kroatisch: Svi Sveti
Serbisch: Сви свети

Griechisch: Agioi Pantes ( Άγιοι Πάντες)

Mit Allerheiligen hat auch einer der schönsten Städtenamen zu tun, die ich kenne. Am 1. November 1501, also an Allerheiligen, „entdeckte“ der Florentiner Amerigo Vespucci für die Portugiesen an der Küste Südamerikas eine große Bucht, die er nach dem Tag der Entdeckung Bahia de Todos os Santos (Allerheiligenbucht) nannte. Knapp fünfzig Jahre später wurde an dieser Bucht eine Kolonie gegründet, die heutige Stadt Salvador da Bahia. Sie heißt mit vollem Namen São Salvador da Bahia de Todos os Santos (Heiliger Erlöser der Allerheiligenbucht). Für Adressangaben ist dieser Name zwar unpraktisch lang, aber São Salvador da Bahia de Todos os Santos klingt für meine germanischen Ohren einfach viel melodiöser und eindrücklicher als unsere zweisilbigen Namen wie Frankfurt, Leipzig, Salzburg oder Zürich.

Salvador

Den in vorwiegend katholischen Ländern und Kantonen Wohnenden wünsche ich einen schönen Feiertag, und für die anderen gilt: Nur noch ein Tag und dann ist Wochenende!

 

4 Gedanken zu „Allerheiligen“

  1. Und so liest sich das „christelijk feest dat op 1 november valt en gevierd wordt onder katholieken en anglicanen“ auf der niederländischen Wikipedia-Seite:

    http://nl.wikipedia.org/wiki/Allerheiligen
    … dort wird verwiesen auf Dürers Darstellung aller Heiligen bei der „Anbetung der Dreifaltigkeit“:
    http://www.zeno.org/Kunstwerke/B/D%C3%BCrer,+Albrecht:+Landauer+Altar:+Anbetung+der+Dreifaltigkeit

    Zu “ São Salvador (…)“:
    Auffällig ist doch bei unseren Städte- und Landschaftsnamen, dass wir wenige mit solch einer religiöser „Farben“-Pracht haben wie in Mittel- und Südamerika, wo die königlichen Kolonialaufträge mit ihren Kaperfahrten (miit Schiffsladungen Gold und Silber) durch so viele Heiligennomenklaturen aufgehübscht worden sind.

    Gruß zum Tage (außerhalb aller vorgeschobenen Selig- oder Heiligkeit):
    !

  2. Interessant! Auch in den baltischen Länder, die sonst sehr zur Säkularisierung neigen, sind es wörtliche Übersetzungen:

    lett. visu svēto diena ‚aller Heiligen Tag‘
    lit. visų šventųjų diena ‚aller Heiligen Tag‘
    est. pühakutepäev ‚Tag der Heiligen‘

    Der Tag hat wohl außerhalb der Kirche keine besondere Bedeutung, darum wird da nichts geändert.

  3. Liebe Dr. Bopp,

    müsste es nicht eigentlich „Mit Allerheiligen hat auch einer der schönsten Städtenamen zu tun, DEN ich kenne.“ heißen? Oder täusche ich mich da?

    Beste Grüße

  4. Bei Konstruktionen der Art eine/einer der ist es üblich, mit einem Relativpronomen im Plural anzuschließen:

    einer der letzten Menschen, die noch hier wohnen
    eine der berühmtesten Künstlerinnen, die hier aufgetreten sind
    eines der interessantesten Museen, die ich kenne

    Ebenso:

    einer der schönsten Städtenamen, die ich kenne

    Das Relativpronomen bezieht sich also auf das vorausgehende Substantiv im Plural, nicht auf einer/eine/eines. Vgl.

    Es ist einer der schönsten mir bekannten Städtenamen.
    nicht: Es ist ein mir bekannter der schönsten Städtenamen.

    Oder ganz kurz gesagt: die ich kenne ist schon richtig.

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