Frage
„Eure Liebe und Zugneigung sucht seinesgleichen“, sagt der Junge im Radio über seine Eltern. Meines Erachtens muss es heißen: „Eure Liebe und Zuneigung sucht ihresgleichen.“ Wie ist es richtig?
Antwort
Sehr geehrte Frau S.,
auch ich würde hier eher ihresgleichen als seinesgleichen nehmen:
Eure Liebe und Zuneigung sucht ihresgleichen.
Viel besser wäre allerdings:
Eure Liebe und Zuneigung suchen ihresgleichen.
Die Erklärung ist nicht einfach. Die Wahl seinesgleichen im zitierten Satz ist nämlich nicht unbegreiflich. Die Form des Indefinitpronomens …esgleichen richtet sich danach, worauf es sich bezieht. Hier bezieht es sich auf Liebe und Zuneigung, also auf zwei Substantive oder, anders gesagt, auf einen Plural der dritten Person. Daraus folgt, dass man die Form ihresgleichen der dritten Person Plural wählen sollte.
Der pluralische Charakter der Wortgruppe, auf die sich das Indefinitpronomen bezieht, ist aber gar nicht so eindeutig. Im zitierten Satz steht das Verb nämlich in der Einzahl (sucht). Wenn zwei durch und verbundene Subjektteile ein gemeinsames Artikelwort haben, das nur einmal genannt wird (hier: eure), können sie als eine Einheit angesehen werden. Das Verb kann dann ganz korrekt auch im Singular stehen (vgl. hier):
Eure Liebe und Zuneigung ist einzigartig oder
Eure Liebe und Zuneigung sind einzigartig.Eure Liebe und Zuneigung kennt keine Grenzen oder
Eure Liebe und Zuneigung kennen keine Grenzen.
So weit, so gut, denn nun beginnt die große Unsicherheit. Wenn das Verb im Singular steht und wenn sich das Indefinitpronomen wie hier nach dem Subjekt richten muss, handelt es sich dann in diesem Satz um ein pluralisches Subjekt (zwei Nomen) oder um ein singularisches Subjekt (Verb im Singular)? Wenn man es als singularisches Subjekt ansieht, ist es dann männlich, weiblich oder sächlich? Es gibt dann eine starke Tendenz, diese Einheit als sächliches „Etwas“ zu verstehen und deshalb wie der Junge im Radio die sächliche Einzahlform seinesgleichen zu wählen.
Eure Liebe und Zuneigung sucht seinesgleichen.
Die Wahl für seinesgleichen ist also gar nicht so unverständlich. Ist sie aber auch korrekt? Ich denke, dass viele wie ich seinesgleichen hier für sehr zweifelhaft halten. Es ist besser, ihresgleichen zu wählen. In Kombination mit der Einzahl des Verbs „holpert“ aber auch die Formulierung mit ihresgleichen sehr. Es ist deshalb am besten, das Verb in den Plural zu setzen:
Eure Liebe und Zuneigung suchen ihresgleichen.
… oder auf eine Formulierung mit einzigartig auszuweichen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp