Frage
Wie schreibt man korrekt: „nach einer Stunde hochnotpeinlichem Verhör“ oder „nach einer Stunde hochnotpeinlichen Verhörs“?
Antwort
Sehr geehrter Herr K.,
beides ist möglich. Es handelt sich hier um eine Maß- oder Mengenangabe im weiteren Sinne. Wenn das Gemessene wie hier ein Singular ist, steht es im heutigen Deutschen in der Regel im gleichen Fall wie die Maß- oder Mengenangabe. Das ist hier der von nach geforderte Dativ:
eine Stunde hochnotpeinliches Verhör
nach einer Stunde hochnotpeinlichem Verhör
Es ist ebenfalls möglich, den sogenannten partitiven Genitiv zu verwenden:
eine Stunde hochnotpeinlichen Verhörs
nach einer Stunde hochnotpeinlichen Verhörs
Der Genitiv gilt hier allerdings als veraltet. In diesem Fall passt er stilistisch aber recht gut zum ebenfalls altertümlich anmutenden Wort hochnotpeinlich. Siehe auch die Angaben in der Canoonet-Grammatik.
Mir stellt sich hier noch eine ganz andere Frage. Woher kommt hochnotpeinlich? Bei der heutigen, in der Regel scherzhaft gemeinten Verwendung bedeutet es so viel wie sehr streng. Ein hochnotpeinliches Verhör ist ein sehr strenges Verhör, hochnotpeinliche Fragen sind sehr strenge Fragen.
Historisch gesehen war hochnotpeinlich aber noch viel strenger als das, was wir heute unter sehr streng verstehen: Ein hochnotpeinliches Gericht war ein Gericht, das über schwere Verbrechen urteilte und die Todesstrafe verhängen konnte.
Wie kam das Gericht zu dieser Beifügung? Das Adjektiv peinlich gehört zu Pein (Strafe, Qual, Schmerz). Etwas Peinliches hatte mit Strafe und Schmerz zu tun. Das Adjektiv kam insbesondere in der Rechtssprache vor, wo es die Bedeutung mit Folterschmerzen verbunden hatte. Peinliche Fragen sind auch heutzutage unangenehm, aber im 16. Jahrhundert waren sie zweifellos noch viel unangenehmer: Peinliche Fragen waren nämlich Fragen, die unter Androhung oder Anwendung der Folter gestellt wurden.
Peinlich war also mit Folter verbunden. Die Verstärkung hochpeinlich oder notpeinlich bezog sich auf verschärfte Folter und eine Steigerungsstufe weiter sind wir bei hochnotpeinlich angelangt. Es war also eindeutig vorzuziehen, nicht vor einem hochnotpeinlichen Gerichte erscheinen zu müssen! Deshalb schrieb Gottfried August Bürger in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Ballade „Der Kaiser und der Abt“, wenn auch bereits eher scherzhaft (von ihm stammt auch eine der bekanntesten Fassungen der „Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“):
Kein armer Verbrecher fühlt mehr Schwulität [Beklemmung],
Der vor hochnotpeinlichem Halsgericht steht.
Ein hochnotpeinliches Verhör im 16. Jahrhundert war also um einiges schmerzhafter als das, was man heute scherzhaft als ein hochnotpeinliches Verhör bezeichnet.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Ein Gedanke zu „Eine Stunde hochnotpeinlichen Verhörs“
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