Der Name der Pünktchen (2)

Heute geht es einmal um etwas, das es im Deutschen gar nicht gibt: das Trema in Anaïs und Citroën.

Frage

Das Wort „Trema“ kommt aus dem Griechischen. Ist bekannt, ob diese Bezeichnung schon antik ist? Wann tritt dieser Begriff in der Sprachgeschichte zum ersten Mal auf? In welcher Sprache kommt er zum ersten Mal vor?

Antwort

Sehr geehrter Herr K.,

das Zeichen Trema stammt wie das Wort Trema aus dem Griechischen. Es bedeutet wörtlich Loch, Öffnug, dann auch Punkte, Löcher des Würfels. Es erhielt seinen Namen also durch seine Form, nicht wegen seiner Funktion. Es wurde schon im Altgriechischen verwendet, um die getrennte Aussprache zweier nebeneinanderstehender Vokale zu kennzeichnen. Das kam damals relativ häufig vor, weil man sich der scriptio continua bediente: In den antiken Texten trennte man die einzelnen Wörter nicht durch Zwischenräume voneinander, wasdaslesennichtgeradeeinfachermachte. Die Wortzwischenräume, die das Lesen stark vereinfachen, wurden im 7. Jahrhundert zuerst von irischen Mönchen verwendet und verbreitete sich in den folgenden Jahrhunderten in ganz Europa.

Zurück zu den Griechen. Sie verwendeten das Trema also, um die getrennte Aussprache von zwei nebeneinanderstehenden Vokalen anzugeben. Dies geschah, bedingt durch die scriptio continua, zwischen zwei Wörtern, aber auch im Wortinnern (wie immer noch im Neugriechischen). Das Trema wurde dann mit derselben Funktion in verschiedene europäische Sprachen übernommen. Heute unterscheidet es im Französischen zum Beispiel das einsilbige mais = aber vom zweisilbigen maïs = Mais. Im Niederländischen kommt es relativ häufig vor (zum Beispiel: coöperatie, geïnteresseerd). Im Spanischen gibt es unter anderem an, dass das u zwischen g und e oder i nicht stumm bleibt, sondern ausgesprochen wird (zum Beispiel: antigüedad, pingüino) und auch im Katalanischen verhindert es, dass zwei Vokale als Diphthong gelesen werden (zum Beispiel: ruïna, diürn).

Im Deutschen kommt das Trema nicht vor, außer in Eigennamen aus anderen Sprachen: Anaïs, Joël, Citroën. Auch die Inselgruppe Aleuten wird gelegentlich noch mit Trema geschrieben: Alëuten. Wenn als Diphthong lesbare Vokale aufeinanderstoßen, kommen wir also ohne Trema aus. Das ist meistens kein Problem, da auch ohne die beiden Punkte deutlich ist, wo die Silbengrenze liegen muss:

geimpft
Seineufer
beurteilen

Und auch bei

beinhalten

ist es in der Regel klar, dass zum Inhalt haben und nicht das Bein halten gemeint sein muss.

Es gibt aber mindestens einen Fall, bei dem das Trema vor allem auch für Deutschlernende nicht unpraktisch wäre: weibliche Substantive, die auf -ie enden:

Bakterie
Batterie

Das Schriftbild verrät hier nicht, dass der Wortausgang beim ersten Wort aus zwei Vokalen und beim zweiten Wort aus einem langen Vokal besteht. Hier könnte das Trema Abhilfe schaffen:

Bakterië
Batterie

Aber so weit wird es wohl nicht kommen, denn wirklich große Schwierigkeiten bereitet der Wortausgang -ie nun auch wieder nicht. (Die Deutschlernenden mögen mir diese Relativierung verzeihen!)

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass die Umlautpunkte, mit denen wir im Deutschen gar nicht sparsam umgehen, zwar gleich aussehen wie das Trema, aber eine ganz andere Entstehungsgeschichte haben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

11 Gedanken zu „Der Name der Pünktchen (2)“

  1. Im Deutschen komme das Trema nicht vor, schreiben Sie, obwohl es eher um die Form als die Funktion dieses Zeichens geht, wenn ich Ihr Ausführungen richtig verstanden habe. Und siehe da: Kommt in dem Zeichengebilde ü in dem Wort Ausführungen das Treme etwa nicht vor? Ist das deutsche Umlautungszeichen kein Trema? Etwa weil es nicht die Funktion eines Tremas im Spanischen hat? Wenn die Pünktchen der deutschen Umlaute nicht als Trema aufgefaßt und bezeichnet werden, wie dann? Dannke für Ihre Bemü[Trema oder nicht Trema?]hungen

  2. @Thra Ker: Die Antwort auf Ihre Fragen steht im letzten Abschnitt und im Blogeintrag, auf den von dort aus verwiesen wird: Der Name der Pünktchen.

    Kurz zusammengefasst: Die Umlautpunkte – so werden sie genannt – haben eine andere Funktion und eine andere Entstehungsgeschichte als das Trema.

    Im Text oben steht, dass das Trema seinen Namen seiner Form und nicht seiner Funktion verdankt. Das heißt nicht, dass alles, was diese Form hat, zwangsläufig ebenfalls so heißt. Es ist allerdings so, dass vor allem in anderen Sprachen das Wort Trema auch in einem weiteren Sinne verwendet wird und dann auch die Umlautpunkte umfasst.

  3. “… weibliche Substantive, die auf -ie enden:

    Bakterie
    Batterie”

    Die Aussprache ist nicht in jedem Fall überall gleich. Ich habe schon einen Österreicher ‘Kopië’ sagen hören. Dann müsste es regional unterschiedliche Schreibweisen geben.

  4. Im Türkischen ist die Funktion des Tremas vom yumusat g, also von dem “g” mit dem Bogen darüber eingenommen worden. Es steht immer zwischen zwei Vokalen, die getrennt gesprochen werden sollen (manchmal auch woanders). Im Deutschen hat das “h” manchmal eine ähnliche Funktion.

  5. Ein interessanter Fall ist auch “das Knie”, “die Knie”: gleiche Schreibung Sg. und Pl., aber unterschiedliche Aussprache. Das führt oft zu Verunsicherung und zur Schreibung “die Kniee”. Hier wäre das Trema auch angebracht (wobei die Schreibung “Kniee” auch viel für sich hat – warum gilt die eigentlich nicht?).

  6. Die Aussprache der Pluralform Knie ist entweder einsilbig mit langem i oder zweisilbig. Insofern ist die heutige Schreibung ganz günstig, denn man kann mit ihr beide Aussprachevarianten abdecken. Die Schreibung Kniee wäre nicht wirklich eine alles klärende Lösung, weil man ja dann auch Kniee mit einem langen betonten e am Schluss sprechen könnte. Sie ist nach der geltenden Rechtschreibregelung ausgeschlossen, weil:

    Folgen auf -ee oder -ie die Flexionsendungen oder Ableitungssuffixe -e, -en, -er, -es, -ell, so lässt man ein e weg. (§ 19)

    In solchen Fällen verwendet man übrigens im Niederländischen Tremas:

    knieën
    biografieën
    ideeën

  7. @Dr. Bopp
    Danke für die Differenzierung! Die einsilbige Aussprache des Plurals “Knie” benutze ich nicht aktiv, aber es gibt sie natürlich, das stimmt. (ideeën gefällt mir, sehr konsequent!)

  8. Mir ist seit jeher unverständlich, warum man bei diesem diakritischen Zeichen (und, so weit ich sehe, nur bei diesem) die Bezeichnung von der Funktion (und der Entstehungsgeschichte) abhängig macht. Jeden schrägen Strich mit derselben Form und Ausrichtung bezeichnet man z.B. als “Akut”, unabhängig davon, ob er wie im Französischen, Isländischen oder Polnischen die Qualität des Vokals bestimmt, ob er wie im Tschechischen oder Ungarischen die Länge des Vokals bestimmt, ob er wie im Italienischen oder Spanischen die Betonung angibt oder ob er gar auf Konsonantenbuchstaben, wie im Polnischen oder Kroatischen, die Qualität des Konsonanten bestimmt. (Auch wenn diese Zeichen zudem sicher unterschiedliche Entstehungsgeschichten haben und der Begriff “Akut” eigentlich auf nur eine bestimmte Funktion zurückzuführen ist!) Wozu also beim “Trema”/”Umlautpunkten” diese Unterscheidung? Unicode ist da konsequent: Es benutzt funktionsunabhängig, rein an der Form orientiert die Bezeichnung “… WITH DIAERESIS”, z.B. ‘LATIN SMALL LETTER A WITH DIAERESIS’ genauso wie ‘LATIN SMALL LETTER E WITH DIAERESIS’. “Diärese” ist natürlich etwas unglücklich, weil es von der wörtlichen Bedeutung her eine bestimmte Funktion nahelegt. Umso besser wäre der Begriff “Trema” verallgemeinerbar, da er ja in seiner wörtlichen Bedeutung, wie Dr. Bopp ja auch ausführte, nur die Form der Pünktchen bezeichnet(e). “Umlautpunkte” ist zudem eine diachrone Funktionsbestimmung, die synchron strenggenommen nicht mehr bei jedem Buchstaben mit den zwei Pünktchen im Deutschen gegeben ist, vgl. z.B. “Lärche” (synchrone Funktion: Unterscheidung zu “Lerche”). (Zudem handelt es sich auch diachron nicht immer um “Umlaut”, vgl. z.B. “Löffel, löschen, gültig”).

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