Frage
Ich sitze gerade an der zweiten Runde des Lektorats einer Arbeit und leider hat die Autorin die meisten Vorschläge, die Formulierung „sprich“ zu ersetzen, abgelehnt. Das liest sich dann so:
Genauso findet die Realisation – sprich, die konkrete Ausführung – ausschließlich durch die Individuen selbst statt.
Oder so:
Daraus muss sich ergeben, dass der Andere in seiner Würde anerkannt wird; sprich, dass er sowohl …
Ich werde im Duden nicht fündig, wie man dieses „sprich“ zu behandeln hat. Ich vermute, man kann es so lassen, aber mich würde interessieren, was Sie für den satzzeichenbezogen besten Umgang damit halten?
Antwort
Sehr geehrte Frau D.,
wenn Sie dieses sprich stehen lassen müssen (die Kundin ist nun einmal Königin), würde ich gleich vorgehen wie bei das heißt (respektive d.h.). Wie das heißt leitet dieses sprich eine Ergänzung oder Erläuterung ein. Das bedeutet für die Zeichensetzung:
- Die mit sprich eingeleitete Erläuterung wird durch Kommas abgetrennt (oder evtl. durch Gedankenstriche oder Klammern)
- Folgt nach sprich ein Wort oder ein Satzteil: kein Komma nach sprich.
- Folgt nach sprich ein nebengeordneter oder untergeordneter Satz: zusätzliches Komma nach sprich.
(Vergleiche die Angaben zu heißen in Canoonet.)
Für Ihre Beispielsätze bedeutet dies:
Genauso findet die Realisation – sprich die konkrete Ausführung – ausschließlich durch die Individuen selbst statt.
oder
Genauso findet die Realisation, sprich die konkrete Ausführung, ausschließlich durch die Individuen selbst statt.
vgl.
Genauso findet die Realisation, das heißt die konkrete Ausführung, ausschließlich durch die Individuen selbst statt.Daraus muss sich ergeben, dass der Andere in seiner Würde anerkannt wird, sprich, dass er sowohl …
vgl.
Daraus muss sich ergeben, dass der Andere in seiner Würde anerkannt wird, das heißt, dass er sowohl …
Und wenn wir schon dabei sind, hier gleich noch zwei Beispiele:
Man zahlt dort nur den Verzehr, sprich nur die Flaschen, die man aufmacht.
Man zahlt dort nur den Verzehr, d.h. nur die Flaschen, die man aufmacht.Man zahlt dort nur den Verzehr, sprich, auf der Rechnung stehen nur die geöffneten Flaschen.
Man zahlt dort nur den Verzehr, d.h., auf der Rechnung stehen nur die geöffneten Flaschen.
Meine Empfehlung lautet also, dass Sie bei sprich gleich vorgehen wie bei das heißt, sprich, dass Sie die Satzzeichen in gleicher Weise setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Auch wenn es korrekt ist, es liest sich nicht gut – sprich äußerst holperig – und würde bei mir als Umgangssprache gestrichen. Aber es kommt natürlich immer auf die übrigen Inhalte des Buchs an.
Ob man sprich im Sinne von das heißt, nämlich verwenden sollte, ist eine stilistische Frage. Die Fragestellerin war offenbar ganz Ihrer Meinung und wollte sprich ersetzen. Wenn aber die Auftraggeberin darauf besteht, diese Formulierung zu verwenden, bleibt der Lektorin eben nicht viel anderes als sich um die korrekte Zeichensetzung zu kümmern. Wie oben bereits gesagt: Die Kundin ist Königin. Ich halte sprich übrigens nicht für umgangssprachlich. Ob es eine gute Formulierung ist, darüber lässt sich diskutieren.
Ich muss sagen, dass für mein Sprachgefühl „das heißt“ ohne folgendes Komma seltsam aussieht – ich würde „ein Beistrich, das heißt, ein Komma“ schreiben wollen. Hm.
Der Einwand ist verständlich, aber dass in diesen Fällen kein Komma steht, ergibt sich aus den folgenden Beispielen, die in §77.4 der amtl. Rechtschreibregelung angegeben werden (§77.4 behandelt die Kommasetzung bei nachgestellten und eingeschobenen Erläuterungen):
Zum Glück ist die Sprache ja (wie die Wissenschaft) frei. 😉