Frage
Wieder einmal habe ich eine Frage. Es geht um die Zeiten bei Modalverben:
Die Polizei will den Dieb festgenommen haben.
Zuerst dachte ich, das wäre einfach ein Perfekt mit Modalverb. Aber eigentlich wäre das dann ja die Struktur mit doppeltem Infinitiv (festgenommen haben wollen).
Antwort
Sehr geehrte Frau I.,
es handelt sich hier um ein Modalverb im Präsens (will), das mit einem Infinitiv Perfekt steht (getan haben).
Die Polizei will den Dieb festgenommen haben.
Gemeint ist: Die Polizei sagt, dass sie den Dieb festgenommen hat, aber der/die Schreibende ist skeptisch, ob das auch wirklich so ist. Mit wollen kann also eine Behauptung von Dritten zitiert und gleichzeitig mit dem Urteil „fraglich, zweifelhaft“ versehen werden. Siehe auch hier.
Kommen wir nun zu den Verbzeiten: Es geht hier um eine Behauptung in der Gegenwart (Präsens will), die sich auf etwas Vorzeitiges, das heißt etwas vorher Geschehenes, bezieht (Partizip Perfekt festgenommen haben). Weitere Beispiele:
Sie will nichts davon gewusst haben.
Der mutmaßliche Täter will den ganzen Abend zu Hause gewesen sein.
Wenn man in Ihrem Beispielsatz wollen ins Perfekt setzt, müsste der Satz so lauten:
Die Polizei hat den Dieb festgenommen haben wollen.
Das ist aber eine ungebräuchliche Formulierung. In der Vergangenheit heißt es eher:
Die Polizei wollte den Dieb festgenommen haben.
Sie wollte nichts davon gewusst haben.
Der mutmaßliche Täter wollte den ganzen Abend zu Hause gewesen sein.
Für Muttersprachige ist wollen mit der Bedeutung x sagt, aber ich finde es fraglich normalerweise kein Problem – außer vielleicht dann, wenn in einer Übung die Verbzeiten bestimmt werden sollen. Für Deutschlernende hingegen gilt, dass diese Verwendung von wollen gelernt sein will*.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
* Hier zeigt sich, dass wollen manchmal auch müssen ausdrücken kann!