Von den Osterglocken zur Narkose

Etwas Österliches zum ausklingenden Ostermontag: Osterglocken. Das ist der Name, mit dem man in vielen Regionen die Narzissen (auch) bezeichnet. Der Name birgt wortgeschichtlich wenig Spannendes in sich. Osterglocken sind mehr oder weniger glockenförmige Blumen die, wie in diesem Jahr, häufig zu Ostern blühen.

Interessanter ist in dieser Hinsicht die Narzisse. Sie hat ihren Namen nicht, wie Kenner und Kennerinnen von Ovids Metamorphosen und der griechischen Sage vielleicht denken, direkt dem schönen Jüngling Narziss zu verdanken, der die Liebe der Nymphe Echo zurückwies, dafür mit krankhafter Selbstliebe bestraft wurde, sich prompt in sein Spiegelbild verliebte, an dieser unerfüllbaren Liebe zugrunde ging und darauf in eine Narzisse verwandelt wurde. Der Name der Blume (und des Jünglings) geht auf das griechische Wort nárkissos (νάρκισσος) zurück. Da die Narzisse einen betäubenden Duft verbreitet (was mir bei uns im Garten allerdings noch nie aufgefallen ist), der eine beruhigende Wirkung haben soll, wurde dieser Name schon bei den Griechen mit dem Wort nárkē (νάρκη) = Krampf, Lähmung, Erstarrung in Verbindung gebracht. Die Gelehrten meinen allerdings, dass dies eine volkstümliche Erklärung für einen Namen aus einer anderen Sprache sein muss.

Das Wort nárkē liegt übrigens über nárkōsis (νάρκωσις) = Erstarrung, Lähmung, Betäubung auch unserem Fremdwort Narkose zugrunde. Auch in Narkolepsie (Schlafkrankheit) und Narkomanie (Abhängigkeit von Schlaf- und Betäubungsmitteln) findet sich dieser Wortstamm.

Bei so viel Schlaf und betäubenden Düften kommt in mir das romantische Bild eines auf einer sonnigen Wiese zwischen blühenden Narzissen schlafenden Linguisten auf – doch mein Realitätssinn macht mir hier einen Strich durch die Rechnung: Dafür müsste es hier bestimmt zehn Grad wärmer sein!