Frage
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir sagen könnten, welcher von diesen zwei Sätzen richtig ist (es handelt sich um einen Passivsatz im Konjunktiv II):
Es wäre schön, wenn dieser Traum erfüllt würde.
Es wäre schön, wenn dieser Traum erfüllt werden würde.
Man kann es natürlich umformulieren („Es wäre so schön, wenn dieser Traum in Erfüllung gehen könnte / ginge“), aber ich würde gern wissen, ob dieses „werden würde“ richtig ist.
Antwort
Sehr geehrte Frau C.,
der Unterschied zwischen erfüllt würde und erfüllt werden würde besteht darin, dass die erste Form ein Präsens und die zweite Form ein Futur ist. Da im Deutschen etwas Zukünftiges häufig im Präsens ausgedrückt wird (Ich fahre morgen weg = Ich werde morgen wegfahren; vgl. hier), sind beide Sätze richtig. Beginnen wir der Einfachheit halber im Indikativ. Die folgenden Sätze haben ungefähr dieselbe Bedeutung:
Ich hoffe, dass dieser Traum erfüllt wird.
Ich hoffe, dass dieser Traum erfüllt werden wird.
Wenn wir diesen Gedanken nun als sogenannten irrealen Bedingungssatz im Konjunktiv II formulieren, ergeben sich entsprechend zwei Formulierungsmöglichkeiten, die ebenfalls mehr oder weniger dasselbe ausdrücken:
Es wäre schön, wenn dieser Traum erfüllt würde.
Es wäre schön, wenn dieser Traum erfüllt werden würde.
Im Passiv wird häufig das Präsens gewählt, wenn etwas Zukünftiges gemeint ist. Damit kann man das etwas schwerfällige doppelte Auftreten des Hilfsverbs werden – einmal für das Passiv und einmal für das Futur – vermeiden. Formen wie werden wird und werden würde sind aber keineswegs falsch oder grundsätzlich „schlechter“ als die einfachen Formen!
Manchmal gibt es kaum einen Unterschied:
Das Haus wird morgen abgebrochen werden.
Das Haus wird morgen abgebrochen.
Manchmal sind die „langen“ Formen wirklich etwas zu schwerfällig:
Mülltonnen, die am Donnerstag geleert werden würden, werden bereits am Mittwoch abgeholt werden.
Mülltonnen, die am Donnerstag geleert würden, werden bereits am Mittwoch abgeholt.
Umgekehrt drücken die „kurzen“ Formen manchmal den Aspekt des Zukünftigen nicht deutlich genug aus. Die erste der beiden folgenden Formulierungen gibt deutlicher an, dass das Problem nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft nicht gelöst werden wird:
ein Problem, das niemand lösen will und das deshalb nie gelöst werden wird
ein Problem, das niemand lösen will und das deshalb nie gelöst wird
Ob man in einem Satz zweimal das Hilfsverb werden verwendet oder es einmal fallen lässt, ob Sie also erfüllt würde oder erfüllt werden würde wählen, ist somit vielmehr eine stilistische als eine grammatische Entscheidung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ihre Antwort ein bisschen ergänzen würden, um zu erklären, ob es immer noch richtig wäre, das “werden” in “werden würde[n]” wegzulassen, wenn es sich um zwei Nebensätze handelt, die dann ein einziges “würden” teilen, wie im Folgenden:
Aber daß einige wenige verurteilt und bestraft und daß wir, die nachfolgende Generation, in Entsetzen, Scham und Schuld verstummen würden – das sollte es sein?
[Der Vorleser]
Irgendwie kommt mir der Satz wie ein Zeugma vor, denn, obwohl beide Nebensätze durch das eine “würden” vervollständigt werden können, scheint das “würden” eigentlich zwei unterschiedliche Rollen zu haben. Wäre es nicht besser, ein “werden” doch nach “bestraft” zu setzen?
Zwei identische Verbformen lassen sich auch in zwei nebengeordneten Nebensätzen weglassen, wenn sie dieselbe Bedeutung und Funktion haben.
Im Zitat aus Schlicks Roman geht es aber um die Zusammenziehung von würden mit unterschiedlicher Funktion: Das erste, weggelassene würden drückt das Passiv aus (verurteilt und bestraft würden = Passiv Konjunktiv II der Gegenwart), das zweite würden gehört zu einer Zeitform des Futurs (verstummen würden = Aktiv Konjunktiv II Futur I). Erst wenn man in der ersten Form werden ergänzt, wird auch dieses würden zu einem Konjunktiv II Futur: verurteilt und bestraft werden würden. Dann lässt es sich nach den Grammatikregeln weglassen:
Nach den Angaben in den Grammatiken handelt es sich also im »Vorleser« um eine unerlaubte Zusammenziehung. Die korrekte Form ergibt aber ein Interpretationsproblem, weil nicht auf Anhieb ersichtlich ist, dass nach werden noch ein würden ergänzt werden sollte.
Es bleibt hier sowieso die Frage, aber der Schriftsteller gegen die Grammatik verstößt oder ob die Grammatikregel zu strikt formuliert ist. Der Satz kam mir beim ersten Lesen nämlich gar nicht sonderbar vor.