Die zweisilbige Oma

Frage

Wörter mit nur 3 Buchstaben (Deo, Ode, Oma) sollte man wohl nicht trennen (richtig?), aber abgesehen von Rechtschreibung und Worttrennung: Bestehen sie nun eigentlich aus einer oder zwei Silben?

Antwort

Sehr geehrter Herr R.,

die allgemeine Regel lautet, dass man Wörter nach Sprechsilben trennt. Natürlich geht es auch hier nicht ohne Ausnahmen: Einzelne Vokalbuchstaben werden am Wortanfang und Wortende nicht abgetrennt. Daraus lässt sich ableiten, dass ein einzelner Vokalbuchstabe für eine Sprechsilbe stehen kann, denn sonst wäre die Ausnahmeregel ja gar nicht nötig.

Die drei Beispielwörter dürfen nicht getrennt werden. Sie haben aber alle zwei Silben, wie Sie bei langsamer und deutlicher Aussprache bestimmt gut erkennen können:

De – o
O – de
O – ma

Das Gesagte gilt übrigens nicht nur für Wörter mit drei Buchstaben. Ebenfalls zweisilbig, aber am Zeilenende untrennbar sind zum Beispiel:

Tri – o
neu – e
schau – e
E – feu
I – dee

Die Worttrennung basiert zwar auf der Silbenstruktur, sie gibt diese aber nicht immer eins zu eins wieder. Ein Beispiel sind Oma und Opa, die trotz Zweisilbigkeit nicht getrennt werden dürfen. Ein anderes Beispiel ist das ck: Ein Wort wie lecker besteht aus zwei Sprechsilben /lek-ker/. Die erste Silbe endet also mit einem /k/, in der Schrift nimmt man aber heute das ganze ck auf die neue Zeile: le-cker.

Dieses nicht allzu konsequente Vorgehen ist darauf zurückzuführen, dass die Worttrennung nicht in erster Linie dazu dient, die Silbenstruktur wiederzugeben, sondern einigermaßen sinnvolle und begreifliche* Trennstellen am Zeilenende festzulegen. Das ist, wie man sieht, nicht immer ganz dasselbe.

Mir freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

*Darüber, was in der Rechtschreibung (und anderswo) sinnvoll und begreiflich ist, lässt sich natürlich öfter endlos streiten.

3 Gedanken zu „Die zweisilbige Oma“

  1. Kommentarlos zu postulieren, dass „lecker“ aus zwei Sprechsilben besteht, halte ich für gewagt. AFAIK ist in der Linguistik der Begriff der Silbe nach wie vor höchst umstritten und alles andere als eindeutig definiert – und ich hätte z. B. die Sprechsilben als le-cker empfunden.

  2. Natürlich haben Sie recht, dass der Silbenbegriff nicht unumstritten ist. Aber wenn ich nur noch in der Linguistik unumstrittene Begriffe kommentarlos verwenden darf, bleibt mir wenig zu schreiben – oder die Artikel werden sehr lang. Ich erlaube mir deshalb, kommentarlos aufzuschreiben, dass lecker aus zwei Silben besteht. Ich sehe ehrlich gesagt auch nicht, wo hier bei der üblichen Verwendung des Begriffes Silbe bei lecker ein Problem entstehen könnte.

    Zu den häufig postulierten Gesetzmäßigkeiten der Silbenbildung des Deutschen gehört, dass eine Silbe mit einem kurzen, betonten Vokal immer auf einen Konsonanten endet. Weiter gilt, dass ein Konsonant zwischen zwei Silben zur zweiten Silbe gehört. Das resultiert darin, dass ein Konsonant zwischen einem kurzen, betonten Vokal und einem zweiten Vokal zu beiden Silben gehört. Dies zeigt sich in der Schrift in der Regel durch Verdoppelung des Vokals:

    Eb – be
    Mit – tel
    vol – le
    schnur-ren
    Was -ser
    (aber: stre-ben, mie-ten, ho-len, Spu-ren, Stra-ße)

    Dies wird aber in der Schrift nicht immer so wiedergegeben. Ausnahmen sind z.B.:

    spre-chen (nicht sprech-chen)
    wi-schen (nicht wisch-schen)
    le-cker (nicht leck-cker oder wie nach alter Schreibung lek-ker)

    In diesen Fällen (durch zwei oder drei Buchstaben wiedergegebene Einzellaute) ist es offenbar praktischer, die durch die Silbenstruktur gegebene resp. für deren Wiedergabe gewählte Konsonantenverdoppelung in der Schreibung doch nicht durchzuführen.

  3. Vielleicht bin ich da nur gegen den Strich gebürstet, weil ich in der Phonetik-Vorlesung ein ausführliches Plädoyer gegen die (sehr gut zusammengefasste) verbreitete Sicht gehört habe. ^^

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