Frau T.s Frage steht stellvertretend für die Schwierigkeiten, denen Lehrerinnen und Lehrer im DaF-Unterricht im Bereich der Wortstellung begegnen (DaF = Deutsch als Fremdsprache). Sie zeigt auch, wie wichtig in diesem Bereich gute, auf das Lernniveau abgestimmte Unterrichtsmittel sind, denn alles auf einmal „richtig“ und verständlich erklären kann niemand. Dafür ist die relativ freie, aber eben nicht ganz freie deutsche Wortstellung viel zu komplex.
Es folgt also keine umfassende Betrachtung eines bestimmten Phänomens, sondern nur zwei Beispiele, die aufzeigen, dass man bei der Bestimmung der deutschen Wortstellung manchmal auf ganz verschiedene Dinge achten muss. Wer es genauer wissen möchte, folgt den Links in die Grammatik.
Frage
Ich habe ein Problem, meinen DaF-Schülern den Satzbau korrekt zu erklären, denn jedes Mal wenn ich nach einem angeblich immer korrekten Schema arbeite, kann ich es gleich mit einem meiner Meinung nach richtigem Beispiel widerlegen.
Korrekt laut Lehrbuch:
Ich kann dir das empfehlen.
Subjekt + Modalverb + Dativ + bekanntes Objekt + Verb
Meiner Meinung nach ebenso korrekt, aber nicht dem Schema entsprechend ist diese Formulierung:
Ich kann es dir empfehlen.
Subjekt + Modalverb + bekanntes Objekt + Dativ + Verb
Auch laut Lehrbuch korrekt:
Ich schenke meinem Vater ein Handy zum Geburtstag.
Subjekt + Verb + Dativ + Objekt + Adverbialbestimmung
Aber dann:
Ich schenke meinem Vater morgen ein Handy.
Subjekt + Verb + Dativ+ Adverbialbestimmung + Objekt
Ich wäre dankbar zu wissen, auf welchen Regeln dies beruht, um meine Schüler nicht zu verunsichern. Deutsch zu lernen, ist schon schwer genug.
Antwort
Sehr geehrte Frau T.,
die Wortstellung des Deutschen ist deshalb so schwierig zu vermitteln, weil es nur wenige wirklich feste Regeln gibt. Es gibt vor allem mehr oder weniger starke Tendenzen. Deshalb finden Sie zu beinahe jeder „festen“ Regel meist mühelos Gegenbeispiele. Die Regeln und Tendenzen sind auch viel komplexer, als sie in Lehrmitteln dargestellt werden können.
Eine Übersicht über die wichtigsten Tendenzen finden Sie hier.
Beim ersten Beispiel, das Sie anführen, spielt für die Wortfolge nicht nur die Art der Satzglieder eine Rolle, sonder vor allem die Tatsache, dass es sich um Pronomen handelt. Die Personalpronomen, das Reflexivpronomen sich und das Indefinitpronomen man stehen nämlich in der Regel vor Nomen und anderen Pronomen:
Ich kann dir das Buch empfehlen.
Ich kann dir das empfehlen.
Das Personalpronomen dir steht vor das. (Vgl. hier.)
Wenn wie in Ihrem „Gegenbeispiel“ zwei Personalpronomen vorhanden sind, kommt der Akkusativ vor dem Dativ:
Ich kann es dir empfehlen.
Das Personalpronomen im Akkusativ es steht vor dem Personalpronomen im Dativ dir. (Siehe hier unter „Pronomen: Akkusativobjekt vor Dativobjekt“.)
Bei Ihrem zweiten Beispiel spielt die Art der Adverbialbestimmung eine Rolle:
Ich schenke meinem Vater ein Handy zum Geburtstag.
oder
Ich schenke meinem Vater zum Geburtstag ein Handy.
aber nur
Ich schenke meinem Vater morgen ein Handy.
Die Schwierigkeit ist hier, dass zum Geburtstag als sogenannte gebundene Adverbialbestimmung angesehen werden kann, aber auch als freie Adverbialbestimmung. Als gebundene, das heißt fest zu schenken gehörende Adverbialbestimmung steht zum Geburtstag am Schluss. Als freie Adverbialbestimmung steht es wie die freie Adverbialbestimmung morgen vor dem unbestimmten Objekt ein Handy. (Siehe hier.)
Die Art des Satzgliedes, Bestimmtheit und Unbestimmtheit, die Wortart (Personalpronomen oder Nomen resp. anderes Pronomen) und die Art der Bindung der Adverbialbestimmung (frei oder gebunden), all diese Aspekte spielen bei der Wortstellung in Ihren eigentlich ganz einfachen Beispielsätzen eine Rolle! Versuchen Sie also nicht, den Schülern eiserne, immer gültige Regeln zu vermitteln, denn es gibt sie kaum. Es ist vielleicht besser, ihnen „nur“ mit Hilfe des Lehrwerks die wichtigsten Tendenzen aufzuzeigen. Wie die Beispiele zeigen, ist eine umfassende Darstellung des Problems für den DaF-Unterricht meist viel zu komplex.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp