Keine Angst, es folgt keine lustig oder absurd gemeinte Geschichte, in der radikale Radieschen, rüpelhafte Rübchen und zweifelnde Zwiebeln vorkommen. Es ist mir auch kein packender Satz mit den Wörtern radikal und Radieschen in den Sinn gekommen. Ich konnte es einfach nicht lassen, diesen Titel zu verwenden, nachdem mir bei der Beantwortung einer Frage nach der Herkunft des Wortes Radieschen aufgefallen war, dass dieses Gemüse und das Adjektiv radikal wortgeschichtlich die gleiche Wurzel haben.
Das Adjektiv radikal geht am deutlichsten auf radix, das lateinische Wort für Wurzel, zurück. Es kommt vom spätlateinischen radicalis, einer Ableitung von radix. Bei der Bedeutung oder, besser gesagt, bei den Bedeutungen von radikal wird es schon etwas komplizierter. Es bezeichnete zuerst eingewurzelt, angestammt, angeboren. Später erhielt es unter Einfluss des französischen radical die Bedeutung grundlegend, von Grund auf, gründlich und schließlich wurde es unter Einfluss des englischen radical auch für politisch o. ideologisch extrem, unnachgiebig verwendet. Ein schönes Beispiel dafür, wie andere Sprachen mit hohem Prestige zu verschiedenen Zeiten ein deutsches Wort beeinflussen können: lateinischer Ursprung, danach französische und später englische Bedeutungselemente.
Das Wort Radieschen hat einen anderen Weg zurückgelegt. Die Verkleinerungsform hat das ursprüngliche, seit dem 17. Jahrhundert bezeugte Radi(e)s verdrängt. Dieses stammt vom gleichbedeutenden niederländischen radijs. Die Niederländer haben radijs von den Franzosen übernommen, die wiederum ihr radis aus dem Italienischen entlehnt haben. Und das italienische radice kommt – Sie haben es bestimmt schon erraten – vom lateinischen radix. Auch Radieschen ist also ein Fremdwort.
Dasselbe gilt im Prinzip für einen botanischen Verwandten, den Rettich. Das Wort Rettich geht auch auf radix zurück, aber es wurde schon viel früher ins Deutsche übernommen. Die Form ratih war schon im Althochdeutschen des 9. Jahrhunderts anzutreffen und hat seither einige lautliche Entwicklungen durchgemacht, so dass Rettich heute kaum noch als Nachfahre von radix zu erkennen ist.
Rettich, Radieschen, radikal, drei Wörter desselben Ursprungs, die zu unterschiedlichen Zeiten und auf unterschiedlichen Wegen ins Deutsche gelangt sind.
Im Bayerischen hat sich die sprachliche Wurzel des Rettichs anscheinend noch erhalten. Dort heißt er Radi.
https://bar.wikipedia.org/wiki/Radi