Meine Lieblings-neue-Freundin

Noch eine Frage im Bereich der Wortbildung:

Frage

Ich habe eine Frage in Bezug auf das Wort „Lieblings-“ in seiner Bildung mit einem Substantiv. Und zwar: Kann man das Wort mit einem Nomen immer noch zusammenbilden, wenn es zwischen ihm und dem dazu gehörigen Substantiv ein Adjektiv gibt? Wenn ja, wie? Z.B. ich wollte gerade eine Freundin zum Geburtstag gratulieren, die ich vor einigen Monaten kennengelernt habe, und ich wollte ihr sagen „Du bist meine Lieblings neue Freundin“, was klarerweise zu unterscheiden ist von „Du bist meine neue Lieblingsfreundin“.

Antwort

Sehr geehrter Herr S.,

im Standarddeutschen kann Lieblings- nur direkt mit einem Substantiv kombiniert werden (Lieblingsfilm, Lieblingsessen, Lieblingsfreundin). Es gibt kein Wortbildungsmuster, nach dem ein Substantiv mit einer Wortgruppe, die aus einem gebeugten Adjektiv und einem Substantiv besteht, eine Zusammensetzung bilden kann. Formulierungen wie meine Lieblings-neue-Freundin sind standardsprachlich nicht möglich.

Solche Formulierungen kommen allerdings in der (gesprochenen) Umgangssprache vor. Zum Beispiel:

mein Lieblings-schnelles-Abendessen
in seinem Lieblings-warmen-Pullover
ihr Lieblings-neuer-Film

Da solche Konstruktionen standardsprachlich nicht vorgesehen sind und sie umgangssprachlich offenbar nicht allzu häufig vorkommen, gibt es (noch?) keine Rechtschreibregel, die auf sie zutrifft. Ich empfehle hier die Schreibung mit Bindestrichen, wenn man sie schriftlich wiedergeben will:

meine Lieblings-neue-Freundin

Es würde meiner Meinung nach zu einer vorläufig noch allzu ungewöhnlichen Schreibung führen, die Form lieblings ähnlich wie das umgangssprachliche super als unveränderliches Adjektiv zu behandeln (vgl. hier): meine lieblings neue Freundin. Es wäre allerdings eine erwägenswerte und vertretbare Lösung, falls sich diese Art der Formulierung etablieren sollte.

Eine Frage bleibt noch: Wie drückt man dasselbe standardsprachlich aus? Sie sagen zu Recht, dass meine Lieblings-neue-Freundin und meine neue Lieblingsfreundin nicht ganz dieselbe Bedeutung haben. Die neue Lieblingsfreundin ist eine Freundin, die neu den Platz der bevorzugten Freundin einnimmt. Die Lieblings-neue-Freundin hingegen ist eine Freundin, die die bevorzugte Stellung unter den neuen Freundinnen hat (und neben der es noch eine andere oder sogar eine absolute Lieblingsfreundin geben kann). Wie also drücke ich solche umgangssprachlichen Formulierungen standardsprachlich aus? Ein paar Versuche:

die liebste meiner neuen Freundinnen
mein bevorzugtes schnelles Abendessen
der neue Pullover, der mir am liebsten ist
der neue Film, der mir am besten gefällt

Aber wie häufig, wenn man Umgangssprachliches oder Mundartliches in die Standardsprache übersetzt, haben diese Formulierungen vielleicht nicht ganz dieselbe gefühlsmäßige Aussagekraft.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp
(Autor Ihrer Lieblings-deutschen-Onlinegrammatik)

3 Gedanken zu „Meine Lieblings-neue-Freundin“

  1. Das Beispiel “der neue Pullover, der mir am liebsten ist”, und ebenso das Film-Beispiel, interpretiere ich aber so, dass der kürzlichst erworbene Pullover die Stellung meines absoluten Lieblingsposition eingenommen hat.
    “Der neue Pullover” suggeriert nicht, dass es nur eine selektive Auswahl gibt (z.B. meine 5 neuen Pullover). Somit reden wir von einem Pullover unter allen Pullovern, die ich besitze, und konkret dem Pullover, die halt neu. Unter dieser ist mir am liebsten, unter allen.
    Somit würde ich dort sagen “der liebste meiner neuen Pullovern”, äquivalent zum ersten Beispiel.

    Die zweite Variante (“Mein bevorzugtes schnelles Abendessen”) funktioniert eindeutig natürlich nur schriftlich. Gesprochen kann man sich dort ein Komma denken, sprich ein “Und”: “Mein bevorzugtes und schnelles Abendessen”. So oder so klingt es etwas holprig.

    Folglich wende ich ausschließlich die erste Variante an. Oder tatsächlich “Mein Lieblings-Neuer-Trikot”. Oh, das ist sogar standardsprachlich korrekt. 😉

  2. Oh, ich kann leider nicht editieren. Es soll natürlich heißen:

    …, und konkret dem Pullover, der halt neu. Und dieser ist mir am liebsten, unter allen.

  3. Betonung und Kontext sind hier nicht unwichtig:

    Beim Beispiel mit bevorzugt entspricht das Komma einer Pause in der gesprochenen Sprache. Außerdem ist die Akzentuierung anders:

    mein bevórzugtes schnelles Abendessen
    mein bevórzugtes, schnélles Abendessen [Komma = Pause]

    Die Beispiele mit den Relativsätzen können in der Schrift tatsächlich unterschiedlich interpretiert werden. In der gesprochenen Sprache meinte ich diese Betonung:

    dér neue Pullover, der mir am liebsten ist
    dér neue Film, der mir am besten gefällt

    Wenn sich diese Bedeutung nicht (wie im Artikel?) aus dem Kontext ergibt, kann hier derjenige Abhilfe schaffen:

    derjenige neue Pullover, der mir am liebsten ist
    derjenige neue Film, der mir am besten gefällt

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