Frage
Ich habe zwei Fälle mit Genitiv, bei denen ich sehr unsicher bin, was nun korrekt wäre. Es geht eher in die freie literarische Richtung:
Es ertönt der Verschwörer erboste Geschrei.
Noch unsicherer bin ich mir hier:
ungeachtet des Monarchen hässlichen/hässlicher Visage
Ich tendiere zur ersten Variante, weil es ja auch heißt: „ungeachtet der hässlichen Visage des Monarchen“. Können Sie mir da vielleicht irgendwie weiterhelfen?
Antwort
Sehr geehrter Herr B.,
diese Art der Genitivkonstruktion ist außer bei Eigennamen veraltender oder poetischer Sprachgebrauch. Eine nähere Bestimmung im Genitiv (Genitivattribut) steht in der heutigen Sprache normalerweise nicht vor, sondern nach dem Wort, das sie bestimmt. Wenn Sie dennoch so formulieren möchten, dann wie folgt:
Es ertönt der Verschwörer erbostes Geschrei.
ungeachtet des Monarchen hässlicher Visage
Im ersten Satz ist es die starke Endung des sächlichen Nominativs Singular, im zweiten Beispiel ist er die starke Endung des weiblichen Genitivs Singular. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich um eine starke Endung handelt. Die Adjektive stehen nämlich mit den entsprechenden schwachen Endungen e resp. en, wenn man das Ganze etwas moderner formuliert:
Es ertönt das erboste Geschrei der Verschwörer.
ungeachtet der hässlichen Visage des Monarchen
Worin liegt der Unterschied? Mit Artikel wird das Adjektiv schwach gebeugt:
das erboste Geschrei
(ungeachtet) der hässlichen Visage
Wenn Sie nun ein Genitivattribut voranstellen, ersetzt es den bestimmten Artikel das resp. der. Ohne einen zu ihm gehörenden Artikel wird das Adjektiv stark gebeugt:
der Verschwörer erbostes Geschrei
(ungeachtet) des Monarchen hässlicher Visage
Diese Wortstellung kommt heute vor allem mit Eigennamen vor:
Frau Boltes erbostes Geschrei
(wegen) Gollums hässlicher Visage
Siehe auch hier die Angaben zur starken Flexion unter „ohne Artikel“.
Ob ein Genitivattribut vor oder nach dem Substantiv steht, das es bestimmt, hat also ganz konkret auch einen Einfluss auf die Endung eines Adjektivs, das dasselbe Substantiv bestimmt. Um mit einem bescheidenen Beispiel zu schließen:
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Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp