Beim ersten Mal lesen/Lesen?

Frage

Muss „lesen“ in dem Satz „beim ersten Mal lesen“ groß- oder kleingeschrieben werden?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

die Beantwortung dieser Frage fällt mir schwer, weil der Satz zwar gut verständlich, streng genommen aber nicht korrekt formuliert ist. Ich halte die Formulierung beim ersten Mal lesen/Lesen nämlich für die Zusammenziehung zweier verschiedener Wendungen mit beim:

Man merkt es beim Lesen nicht.
Man merkt es beim ersten Mal nicht.

Diese beiden Formulierungen lassen sich eigentlich nicht zusammenziehen:

nicht: Man merkt es beim [beim] ersten Mal Lesen nicht.

Man kann in diesem Sinne nicht etwas beim ersten Mal lesen. Man kann etwas zum ersten Mal lesen oder etwas das erste Mal lesen. Entsprechend könnten Sie so formulieren:

Man merkt es beim Zum-ersten-Mal-Lesen nicht.
Man merkt es beim Das-erste-Mal-Lesen nicht.

Besser sind aber eindeutig Formulierungen wie diese:

Man merkt es nicht, wenn man es zum ersten Mal liest.
Man merkt es beim ersten Lesen/Durchlesen nicht.

Ebenfalls möglich wäre diese Formulierung, in der beim zweimal genannt wird. Für mich hat sie aber nicht ganz die gleiche Bedeutung:

Man merkt es beim ersten Mal beim Lesen nicht.

So weit, so gut. Wenn Sie nun trotzdem auf Ihrer Formulierung beharren, würde ich diese Schreibung vorschlagen:

Man merkt es beim ersten Mal Lesen nicht.

Man kann dann das substantivierte Lesen als eine nominale Apposition zu Mal sehen (bei welchem ersten Mal? – beim ersten Mal Lesen), ähnlich wie bei diesen umgangssprachlichen Formulierungen:

Beim ersten Mal Fieber brachte ich das Kind sofort zum Hausarzt.
Wir hatten am Anfang nie Streit, aber beim ersten Mal Kino ging’s los!

Andere Analysen sind nicht ausgeschlossen. Ich würde aber zumindest in formelleren Kontexten sowieso zu einer anderen Formulierung raten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

2 Gedanken zu „Beim ersten Mal lesen/Lesen?“

  1. Spannend, für mich ist diese Formulierung Standardsprache und ich hätte keine Hemmungen, sie auch in leicht gehobenerem Kontext zu nutzen (vielleicht nicht grad in offizieller Kommunikation, aber drunter).

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