Frage
Ein Kursteilnehmer fragte im Deutschunterricht einer Freundin von mir, was der Satz „Wir haben bis 19 Uhr geöffnet“ bedeute und ob das Perfekt sei. Wie erklärt man die möglichen und unterschiedlichen Verwendungen von „wir haben geöffnet“ (Präsens bzw. Perfekt) am besten?
Antwort
Sehr geehrter Herr T.,
in Wir haben bis 19 Uhr geöffnet ist haben geöffnet tatsächlich kein Perfekt. Hier wird das Partizip geöffnet in Verbindung mit haben gleich verwendet wie das Adjektiv offen oder, eher umgangssprachlich, die Adverbien auf und zu.
Wir haben geöffnet/offen/auf. (= Unser Geschäft/Schalter ist geöffnet.)
Wir haben geschlossen/zu. (= Unser Geschäft/Schalter ist geschlossen.)
Es handelt sich hier also um das Präsens der mehr oder weniger festen Wendung geöffnet haben.
Präsens: Wir haben geöffnet.
Präteritum: Wir hatten geöffnet.
Perfekt: Wir haben geöffnet gehabt.
Und hiermit sind wir beim Unterschied zum Perfekt von öffnen. Es lautet ebenfalls wir haben geöffnet:
Präsens: wir öffnen
Präteritum: wir öffneten
Perfekt: wir haben geöffnet
Was im konkreten Fall gemeint ist, das Präsens der Wendung geöffnet haben oder das Perfekt des Verbs öffnen, gibt der Satzzusammenhang an. In diesem Fall ist es ganz einfach: Das Verb öffnen kann nicht ohne ein Akkusativobjekt stehen. Auch im Perfekt muss also immer angegeben werden, was geöffnet wird. Zum Beispiel:
Wir haben den Laden/die Fenster/eine Dose/ein paar Flaschen geöffnet.
Ohne einen Akkusativobjekt handelt es sich um die Wendung geöffnet haben = offen haben.
Wir haben bis 19 Uhr/heute/den ganzen Tag geöffnet.
Den Unterschied kann man also einfach daran erkennen, ob angegeben wird, was geöffnet wird, das heißt, ob ein Akkusativobjekt von geöffnet haben abhängig ist.
Für weniger fortgeschrittene Deutschlernende wahrscheinlich etwas hoch gegriffen, für alle anderen nicht sehr wichtig, aber für diejenigen, die ab und zu gerne mit Formen jonglieren, vielleicht doch interessant ist diese abschließende Feststellung: Auch wenn man das standardsprachlich verpönte doppelte Perfekt wie in
Wir haben heute Morgen die Fenster geöffnet gehabt
besser vermeiden sollte, kann man also sagen
Wir haben heute Morgen geöffnet gehabt
Letzteres ist zwar auch nicht die allereleganteste Formulierung, aber ein „erlaubtes“ einfaches Perfekt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Ich denke nicht, dass das (Nicht-)Vorhandensein des Akkusativ-Objekts hier der entscheidende Anhaltspunkt ist.
Denn es könnte auch heißen: “Wir haben heute morgen schon um 7 Uhr geöffnet” – und dann wäre es Perfekt.
Vielmehr sieht man der Aussage durch die zusätzliche Angabe “bis 19 Uhr” an, dass sie sich nicht auf die Vergangenheit bezieht; und daher fällt die Perfekt-Möglichkeit hier raus.
Für mich bedeutet auch “Wir haben heute Morgen schon um 7 Uhr geöffnet” ohne Kontext nur: “Wir sind heute Morgen schon um 7 Uhr offen.” Wenn ich das Gleiche im Perfekt ausdrücken müsste, würde ich sagen
Intransitive Verwendungen (d.h. ohne Akkusativobjekt) von öffnen sind für mich in Sätzen wie diesen möglich:
Ich kann leider nicht “beweisen”, dass dies für alle Deutschsprechenden so ist. Die Angaben in den Wörterbüchern reichen dazu nicht aus und eine fundierte Untersuchung anhand großer Textmengen ist mir leider nicht möglich.
Ist “etwas verbüßt haben” ähnlich? Wie sollte man sonst den folgenden Satz verstehen?
»Am 25. Oktober hätte der Insasse der Hamburger Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel seine sechsjährige Haftstrafe verbüßt gehabt … «
http://www.welt.de/vermischtes/article10402585/Milliarden-Mike-beklagt-sich-in-Zeitung.html
Bei hätte verbüßt gehabt handelt es sich nicht um ein doppeltes Perfekt, sondern um ein doppeltes Plusquamperfekt. Das ist zwar im Allgemeinen ebenfalls verpönt, kommt aber in gewissen Fällen auch standardsprachlich vor. Siehe hier.