Im Prinzip wäre es ja ganz einfach: Vor und steht kein Komma. Natürlich geht es auch hier nicht ohne Ausnahmen, die ich in einem früheren Eintrag schon einmal erwähnt habe. Hier folgt noch ein solcher Spezialfall:
Frage
Wie lauten hier die Kommaregeln? Gibt es eine einfache Faustregel? Ich bin etwas irritiert. Zum Beispiel:
Wenn du es zeichnest ist es rund, und wenn du es schreibst ist es gerade.
Wenn du es zeichnest, ist es rund und wenn du es schreibst, ist es gerade.
Wenn du es zeichnest, ist es rund, und wenn du es schreibst, ist es gerade.
Was ist richtig? Können Sie mir weiterhelfen?
Antwort
Sehr geehrter Herr S.,
in Ihrem Satz würde ich den dritten Vorschlag wählen und die Kommas wie folgt setzen:
Wenn du es zeichnest, ist es rund, und wenn du es schreibst, ist es gerade.
Das und verbindet hier zwei selbstständige Satzgefüge:
Wenn du es zeichnest, ist es rund
und
wenn du es schreibst, ist es gerade
In einem solchen Fall ist das Komma vor und im Prinzip fakultativ (es verbindet zwei gleichrangige selbstständige Sätze, vgl. hier). Wenn der zweite Satz aber ein Satzgefüge ist, das mit einem Nebensatz beginnt, ist es zu empfehlen, zur Verdeutlichung der Satzstruktur ein Komma zu verwenden.
Hier noch ein paar Beispiele:
Die Tür war aus Holz gefertigt, und wenn er sie öffnete, knarrte sie.
Sie diskutierten bis tief in die Nacht, und weil sie ein paar Gläser Wein getrunken hatte, nahm sie ein Taxi nach Hause.
Wir speisten darauf beim Gouverneur, und nachdem wir von ihm Abschied genommen hatten, gingen wir auf das Schiff zurück.
Zu guter Letzt bekam der brave Geselle Hans seine Appolonia zur Frau, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.
Bei Unsicherheit wäre es natürlich am einfachsten, solche Formulierungen zu vermeiden. Doch so sehr sollte man sich nicht durch eine Komma-Unsicherheit einschüchtern lassen, und wenn man es einmal weiß, ist es ja gar nicht so kompliziert.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
“…Zu guter Letzt bekam der brave Geselle Hans seine Appolonia zur Frau, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.”
Herrlich! Dieser Satz geht wohl auf die Sage vom “Basiliskenhaus” in Wien zurück. Allerdings ist die Schreibweise von Appolonia / Apollonia in den Quellen nicht einheitlich.
http://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/wien/vonaltenhaeusern/basilisk.html
bzw.
http://www.wien-bilder.at/2015/12/basiliskenhaus/
Herzliche Grüße, Rappelkopf
Das Komma hätte ich auch so gesetzt, aber ist es wirklich fakultativ? Greift hier nicht einfach die Regel, dass Nebensätze durch Komma abgegrenzt werden, also im Beispiel aus der Frage “wenn du es schreibst”? Oder gilt diese Regel nur in Bezug auf den übergeordneten Satz, auf den sich der Nebensatz bezieht? Denn “ist es rund” ist ja ein Hauptsatz, von dem der Nebensatz “wenn du es schreibst” abzugrenzen wäre, sofern die Regel unabhängig davon gilt, ob sich der Nebensatz auf den davon abzugrenzenden Hauptsatz bezieht oder nicht.
Das und Verbindet in unserem Beispielssatz nicht zwei Hauptsätze oder zwei Nebensätze, sondern zwei Satzgefüge. Es steht zwischen zwei Satzgefügen. Das zweite Satzgefüge beginnt mit wenn. Wenn das Komma gem. Ihrer Argumentation obligatorisch vor und stehen müsste, würde und zur Nebensatzeinleitung und somit zum zweiten Satzgefüge gehören.
Wenn der Nebensatz hier abgegrenzt werden müssten, müsste das Komma also nicht vor und sondern vor wenn stehen.
Der Nebensatz muss aber nicht von einem außerhalb „seines“ Satzgefüges stehenden und abgetrennt werden.
Selbst wenn Sie nicht damit einverstanden sind: Die Schreibung mit Komma vor und ist auf jeden Fall richtig.
Der Unterschied zwischen einem obligatorischen Komma und einem fakultativen Komma, das man zur Verdeutlichung besser setzt, ist ja in der Praxis nicht allzu groß.