Frage
Gestern brachte mein Freund mir eine gute Nachricht.
Gestern brachte mir mein Freund eine gute Nachricht.
Was ist richtig?
Antwort
Sehr geehrter Herr G.,
die Wortfolge im deutschen Satz kann sehr komplex sein. Das liegt daran, dass es nur wenige feste Regeln und viele mehr oder weniger starke Tendenzen gibt. Auch bei Ihrem Satz spielen zwei verschiedene Wortstellungstendenzen eine Rolle.
Die erste Tendenz lautet: Das Subjekt steht im Mittelfeld an erster Stelle. Zum Beispiel:
Wann hat Anton den Hund gebadet? (nicht: den Hund Anton)
Wahrscheinlich musste die Automobilistin dem Lastwagen ausweichen. (nicht: dem Lastwagen die Automobilistin)
Gestern brachte er mir eine gute Nachricht. (nicht: mir er eine gute Nachricht)
Die zweite, ebenfalls starke Tendenz lautet: Pronomen stehen im Mittelfeld vor Nomen. Zum Beispiel:
Anton gab ihm einen Knochen. (nicht: einen Knochen ihm)
Anton gab ihn seinem Hund. (nicht: seinem Hund ihn)
Er hat sie der Nachbarin gestern gebracht. (nicht: der Nachbarin sie gestern)
Er hat ihr die Nachricht gestern gebracht (nicht: die Nachricht ihr gestern)
In Ihrem Beispielsatz ist das Subjekt ein Nomen (mein Freund). Das Dativobjekt ist ein Pronomen (mir). Nach der ersten Tendenz muss das Subjekt mein Freund an erster Stelle stehen. Nach der zweiten Tendenz muss aber das Pronomen mir vor dem Nomen stehen. In diesem Fall „gewinnt“ keine der beiden Tendenzen, so dass beide Wortfolgen möglich sind:
Gestern brachte mein Freund mir eine gute Nachricht.
Gestern brachte mir mein Freund eine gute Nachricht.
So komplex kann die Erklärung der Wortstellung im Deutschen sein! Und wenn Sie einmal ein bisschen mit den Beispielsätzen spielen, merken Sie vielleicht, dass es noch mehr Möglichkeiten geben könnte, die sich nicht mit Hilfe der beiden genannten Tendenzen erklären lassen (z.B. Er hat gestern die Nachricht ihr gebracht). Ich habe dann immer Mitleid mit den armen Deutschlernenden, die sich all diese Regeln und zum Teil widersprüchlichen Tendenzen aneignen müssen! Als Muttersprachige haben wir in der Regel nur dann ein Problem – aber meist ein großes –, wenn wir erklären sollten, warum eine Wortfolge nicht möglich ist oder seltsam klingt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp