Frage
Ich habe grade nach Erläuterungen zu Konstruktionen mit „ebenso … wie“ gesucht und bin leider noch nicht fündig geworden. Es geht um folgenden Satz:
Sie lassen sich ebenso wenig auf ein Minimum reduzieren, wie sie nie ein Maximum erreichen.
Gemeint ist sicher, dass sie „nie“ ein Maximum erreichen. Da der Bezug auf „ebenso wenig“ gegeben ist, müsste es, denke ich, heißen:
Sie lassen sich ebenso wenig auf ein Minimum reduzieren, wie sie je ein Maximum erreichen.
Stimmt das und haben Sie einen Hinweis auf das Warum für mich?
Antwort
Sehr geehrte Frau D.,
bei dieser Art der Formulierung kommen viele ins Zweifeln:
Ich bin ebenso wenig schuld, wie du schuld bist
Ich bin ebenso wenig schuld, wie du nicht schuld bist.Sie lassen sich ebenso wenig auf ein Minimum reduzieren, wie sie nie ein Maximum erreichen
Sie lassen sich ebenso wenig auf ein Minimum reduzieren, wie sie je ein Maximum erreichen.
Das liegt daran, dass nicht klar ist, ob die Verneinung ebenso wenig sich nur auf den ersten oder auch auf den zweiten Teilsatz erstreckt. Das folgende Beispiel zeigt, dass das für die Formulierung nicht unwichtig ist:
Ich bin nicht schuld. Du bist nicht schuld.
a) ebenso wenig verneint beide Teile:
→ Ich bin ebenso wenig schuld, wie du schuld bist.
b) ebenso wenig verneint nur ersten Teil:
→ Ich bin ebenso wenig schuld, wie du nicht schuld bist.Ich bin nicht schuld. Du bist schuld.
a) ebenso wenig verneint beide Teile:
→ Ich bin ebenso wenig schuld, wie du nicht schuld bist.
b) ebenso wenig verneint nur ersten Teil:
→ Ich bin ebenso wenig schuld, wie du schuld bist.
Bevor Sie nun anfangen mit einfachen und doppelten Verneinungen zu jonglieren: Es ist nicht wirklich wichtig, genau zu verstehen, wie die Beispiele oben konstruiert sind. Deutlich ist, dass bei Formulierungen dieser Art große Undeutlichkeit entstehen kann. Man könnte nun versuchen, der Sache mit mathematisch präziser Logik zu begegnen, doch diese Vorgehensweise funktioniert in der Sprache häufig nicht. So gibt es auch hier keine allgemeine Regel oder Konvention, die diese Fälle eindeutig abdeckt. Um Missverständnissen vorzubeugen, ist es deshalb meistens besser, anders zu formulieren. Zum Beispiel:
Ich bin nicht schuld, ebenso wenig wie du schuld bist.
Ich bin ebenso wenig schuld wie du.Sie lassen sich nicht auf ein Minimum reduzieren, ebenso wenig wie sie je ein Maximum erreichen.
Sie erreichen nie ein Maximum und lassen sich ebenso wenig auf ein Minimum reduzieren.
Ich hoffe, dass es nun ebenso wenig unklar ist, wie es vorher unklar/klar[?] war. Man sollte wirklich besser nicht so formulieren.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp